Die Handelskette SPAR feiert ihren 70. Geburtstag. Christoph Holzer, SPAR-Geschäftsführer Steiermark und Südburgenland, erklärt im GRAZETTA-Interview, warum Vielfalt zur DNA seines Unternehmens gehört.
GRAZETTA • Menschen aus 60 Nationen arbeiten heute in der Supermarktkette SPAR. Warum legen Sie so viel Wert auf Diversität bei Ihren Mitarbeitern?
CHRISTOPH HOLZER • SPAR war von Beginn an ein sehr buntes Unternehmen, verschiedene Nationen haben immer schon bei uns gearbeitet. Die Steiermark ist ein kulturübergreifender Raum. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist unsere Belegschaft noch diverser geworden.
Wie haben die Kunden darauf reagiert?
CH • Ich erinnere mich an Diskussionen, als Mitarbeiterinnen darauf bestanden haben, mit Kopftuch zu arbeiten. Wir waren damals skeptisch. Wir haben aber schnell festgestellt, dass das für den Großteil unserer Kunden überhaupt kein Thema war. Wir entwickeln uns als Unternehmen eben mit der Gesellschaft mit. Wir sehen, dass der Großteil der Menschen keine Berührungsängste mit Zuwanderern hat.
Achtet SPAR bei der Rekrutierung von Mitarbeitern auf Diversität?
CH • Das geht eigentlich ganz von selbst. Dass wir viele Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund bekommen, liegt auch daran, dass in diesen Communities Dienstleistungsberufe ein höheres Ansehen genießen als bei Österreichern. Bei uns machen Menschen aus migrantischen Communities wirklich beeindruckende Karrieren. Sie steigen zu Marktleitern auf und zu Gebietsleitern.
Hat SPAR einen Diversity-Manager, der dafür sorgt, dass die Zusammenarbeit zwischen Österreichern und Zuwanderern reibungslos funktioniert?
CH • Wir haben für die Region Steiermark und Südburgenland eine Diversitätsbeauftragte eingestellt. Auch deshalb, weil dieses Thema in Zukunft immer wichtiger werden wird. Diversität betrifft ja viel mehr als nur die Herkunft.
Wo Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen zusammenarbeiten, kann es zu Konflikten kommen. Wie gehen Sie bei SPAR damit um?
CH • Natürlich gibt es auch in unserem Unternehmen Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Wenn es zum Beispiel in einer Filiale mehrere Mitarbeiter aus der gleichen Bevölkerungsgruppe gibt. Das kann dazu führen, dass sich diese Kollegen in ihrer Muttersprache unterhalten. Das ist für Kunden und Kollegen unangenehm, weil sie den Eindruck bekommen könnten, dass man hinter ihrem Rücken über sie spricht. Das geht also nicht. Ein anderes Thema, mit dem wir es zu tun bekommen, ist die Weigerung mancher junger Männer, weibliche Führungskräfte zu akzeptieren. Einstellungen wie diese haben in unserem Unternehmen keinen Platz. Wer sich damit nicht anfreunden kann, der ist in unserem Unternehmen fehl am Platz.
Bei SPAR werden also kulturelle Konflikte nicht toleriert?
CH • Es hat keinen Sinn, Probleme totzuschweigen und darauf zu warten, dass sie sich von selbst lösen. Man muss aktiv an Konflikte herangehen, Dinge ansprechen und nach Lösungen suchen, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Klar ist aber für uns auch, dass wir Mitarbeiter mit Migrationshintergrund nicht anders behandeln. Sie arbeiten bei uns, Punkt aus.
Wie beurteilen Sie die Chancengleichheit in Österreich allgemein?
CH • Wenn es um gleiche Chancen geht, ist in Österreich noch viel zu tun. Wir wissen, dass Menschen mit Vornamen wie Ahmed oder Fatima auf dem Arbeitsmarkt immer noch schlechtere Chancen haben als die Wolfgangs und die Susannes. Herkunft ist immer noch ein Hemmschuh. Darüber müssen wir reden.
Chancengleichheit hat vor allem auch mit gleichen Bildungschancen zu tun. In Österreich wird Bildung nach wie vor vererbt, wie alle Statistiken belegen.
CH • Wir müssen als Gesellschaft viel mehr in den vorschulischen Bereich investieren. Damit Kinder aus migrantischen Milieus schon im Kindergarten gut Deutsch lernen. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, diese Kinder höher zu qualifizieren und ihnen damit bessere Chancen am Arbeitsmarkt zu bieten. In der Mittelschule ist es nämlich zu spät. Wir sehen bei manchen unserer Lehrlinge, dass sie Defizite bei sinnerfassendem Lesen und bei den Grundrechnungsarten haben. Man muss aber auch ganz deutlich sagen, dass es diese Bildungsdefizite nicht nur in migrantischen Milieus gibt.
SPAR feiert 2024 sein 70-jähriges Bestehen. Was macht das Erfolgsrezept von SPAR Österreich aus?
CH • SPAR Österreich ist noch immer ein familiengeführtes Unternehmen. Die Eigentümer sind in die Unternehmensführung involviert, sie sind im Aufsichtsrat und haben eine besondere Nähe zu Mitarbeitern und Kunden. Das macht die Kraft von SPAR Österreich aus. Die Eigentümerfamilien haben SPAR zum Marktführer im Bereich Lebensmittelhandel in Österreich und zum größten privaten Arbeitgeber des Landes gemacht.
SPAR hat in den letzten Jahren Filialen in Nachbarländern wie Italien, Slowenien und Kroatien eröffnet. Wie erfolgreich ist diese Expansion?
CH • Unsere Tochterunternehmen in Slowenien, Ungarn, Kroatien und Italien haben einen Gesamtumsatz von 6,9 Milliarden Euro erwirtschaftet. SPAR Österreich versorgt rund 40 Millionen Menschen.
Was werden für SPAR die größten Herausforderungen der Zukunft sein?
CH • Die größte Herausforderung ist die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Österreich. Wir haben als Handelsorganisation die Verantwortung unseren Lieferanten gegenüber, die Preise so zu gestalten, dass beide damit gut leben können. In der Landwirtschaft finden große Veränderungen statt. Kleine bäuerliche Betriebe verschwinden, die Betriebe werden größer. Wir müssen faire Preise zahlen, damit die Landwirte die Produktion aufrechterhalten können. Das gilt für Milch und Fleisch, aber auch für Obst und Gemüse.
ZUR PERSON Der gebürtige Grazer Christoph Holzer ist Jurist und Maschinenschlosser. Seit 1995 ist er bei SPAR in verschiedenen Funktionen tätig. Nach Stationen als stellvertretender Geschäftsführer in St. Pölten, Wien und Geschäftsführer Tirol übernahm er 2012 die Geschäftsführung von SPAR Steiermark und Südburgenland.
Ein heiß diskutiertes Thema ist immer wieder das Tierwohl. Stichwort Vollspaltenböden in der Schweinemast.
CH • Wir sind in diesem Bereich sehr engagiert und setzen mit Marken wie Duroc-Schweinefleisch und Murbodner Rindfleisch auf Tierwohl und auf höchste Qualität. Für mich ist es wichtig, Konsumenten vor Augen zu führen, dass sie mit ihrem Kauf- und Genussverhalten einen wesentlichen Beitrag zu artgerechter Tierhaltung leisten. Es geht darum, uns von Haltungsbedingungen zu verabschieden, die mit Tierwohl nicht zu vereinbaren sind. Dabei ist aber auch die Politik gefordert.
Wie entwickelt sich der Umsatz bei vegetarischen Produkten?
CH • Der Umsatz unserer Veggie-Produkte hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Mit Veggie wollen wir den Konsumenten eine Alternative zu tierischen Produkten anbieten. Wir sprechen mit Veggie vor allem die sogenannten Flexitarier an, also Menschen, die weniger Fleisch konsumieren möchten. Da gibt es ein großes Wachstumspotenzial, auch deshalb, weil die Produkte deutlich besser schmecken als früher.
Fotos: Michaela Pfleger