Mit dem Erlass der Bildungsdirektion werden auch die steirischen Pflichtschulen zur handyfreien Zone. Die praktische Umsetzung bleibt den Schulen überlassen.
Man hält es ja eigentlich nicht für möglich. Aber es soll Eltern geben, die sich darüber beschweren, dass ihr Kind in der Schule am Handy nicht erreichbar ist. Dass das Smartphone ausgeschaltet im Spind oder in der Schultasche liegen muss. In Kärnten waren Elternproteste mit ein Grund für einen Handy-Erlass. Die alte Regelung, wonach das Schulforum beziehungsweise der Schulgemeinschaftsausschuss den Umgang mit digitalen Endgeräten festlegen konnte, hat auch an steirischen Schulen immer wieder zu Diskussionen geführt. Der Erlass, den der zuständige Landesrat, Stefan Hermann von der FPÖ, Mitte Februar präsentiert hat, soll vor allem Klarheit schaffen. Nicht mit einem von oben auferlegten Verbot, sondern über die Ermächtigung der Schulpartner.
Ilse Schmid, Präsidentin des Landesverbands der Elternvereine in der Steiermark, begrüßt den Erlass und verweist gleich auf mehrere Studien, die zeigen, wie sehr selbst ausgeschaltete Handys Menschen ablenken und deren Konzentration stören. „Diese Studie wurde mit Erwachsenen gemacht, man kann sich also vorstellen, dass die Auswirkungen auf Kinder noch größer sind“, betont Schmid. Zu einem ähnlich beunruhigenden Ergebnis kam eine Untersuchung der Universität Paderborn vor zwei Jahren: Die bloße Anwesenheit eines Handys wirkt sich ungünstig auf die Produktivität aus, ist das Handy in Sichtweite, nimmt die kognitive Leistung ab. Die Menschen arbeiteten langsamer und unkonzentrierter.

„Volksschulkinder verstehen
Algorithmen nicht.“
ALEXANDER HIRTZI
AHS-Schulsprecher
Die Erkenntnisse der Wissenschaft bestätigen, was Eltern und Pädagogen aus Erfahrung wissen: Das Handy vereinnahmt seine kindlichen Besitzer wie kein anderes Gerät, kein anderer Gegenstand.
Der Erlass verpflichtet Schulen, Verhaltensregeln für den Umgang mit digitalen Endgeräten — auch Smartwatches und Tablets gehören dazu — zu vereinbaren. Derartige Regeln festlegen konnten die Schulen bereits in der Vergangenheit, der im Februar vorgelegte Erlass schafft vor allem Klarheit und Rechtssicherheit für Lehrer und Schulen (siehe Kasten unten).
„Um die digitale Welt
zu verstehen, brauche
ich diese Geräte.“
MARTIN TEUFEL
Leiter des Instituts für Medienbildung

Mit dem Erlass kommt Landesrat Hermann dem Wunsch vieler Pflichtschullehrer entgegen, die sich klarere Regeln und Rechtssicherheit wünschen. Das sagt Florian Gollowitsch, für Pflichtschullehrer zuständiger sozialdemokratischer Gewerkschafter. „Als Vater, aber auch als ehemaliger Lehrer bin ich froh über den Erlass, weil ich finde, dass Volksschulkinder wirklich kein Smartphone brauchen.“ Auch weil mit dem Handy Kinder andere Kinder mobben und quälen können. Was in den letzten Jahren zum echten Problem geworden ist. Eine von der Arbeiterkammer Steiermark in Auftrag gegebene Studie hat erhoben, dass ein Drittel aller Schüler bereits Erfahrung mit Mobbing gemacht hat. In der Steiermark sind das 150.000 Kinder und Jugendliche. Manche davon sind erst im Kindergartenalter. „Die Auswirkungen von Cybermobbing auf die Psyche der Kinder sind verheerend“, sagt auch Gollowitsch. Dass die Kinder zumindest in der Schule keine Gelegenheit haben, Altersgenossen virtuell zu verletzen, sei hilfreich.
Dass Kinder tatsächlich zu jung sind, um zu begreifen, wie gefährlich soziale Medien für sie werden können, betont auch Alexander Hirtzi, AHS-Schulsprecher für die Steiermark. „Kinder sind in diesem Alter einfach nicht in der Lage, mit Handys verantwortungsvoll umzugehen“, sagt er. „Sie können nicht verstehen, wie die Algorithmen der sozialen Medien funktionieren.“ Er selbst habe sein erstes Smartphone erst im Alter von zehn Jahren bekommen. In seiner Klasse war er einer von nur drei Kindern, die keines hatten. Darunter gelitten habe er nicht. „Im Nachhinein bin ich sehr dankbar dafür“, betont Hirtzi.

„Lehrer brauchen
Rechtssicherheit.“
FLORIAN GOLLOWITSCH
FSG-Lehrervertreter
Wie Lehrervertreter Gollowitsch auch beurteilt Hirtzi generelle Verbote eher skeptisch: „Der Schulleiter sollte die Entscheidungshoheit haben, weil er am ehesten weiß, was an seiner Schule notwendig und richtig ist.“
Womit Hirtzi auch auf die Zeit nach der sechsten Schulstufe hinweist. Der Erlass gilt nämlich nur bis zur vollendeten zweiten Klasse der Sekundarstufe, also der abgeschlossenen zweiten Klasse Neue Mittelschule oder Gymnasium. Danach ist es an der Schule, ohne Unterstützung durch die Bildungspolitik, eine Hausordnung festzulegen.
„Handys schaden
der Konzentration.“
ILSE SCHMID
Landesverband der Elternvereine

Wobei es gerade in den höheren Klassen gilt, zwei Dinge unter einen Hut zu bringen: Den Verzicht auf das Handy und den Unterrichtsgegenstand digitale Bildung. Für diesen Unterrichtsgegenstand hat die Bundesregierung digitale Endgeräte zur Verfügung gestellt. „In der digitalen Bildung geht es darum, einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit digitalen Geräten zu erlernen“, sagt Martin Teufel, Leiter des Instituts für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule in Graz. „Um die digitale Welt zu verstehen, brauche ich diese Geräte.“ Abhängig vom Alter müssen Kinder und Jugendliche lernen, Fake News zu erkennen, KI-generierte von echten Bildern zu unterscheiden und nicht auf Phishing- oder Sexting Nachrichten hereinzufallen. Teufel sieht hier vor allem auch die Eltern in der Pflicht, mit den Kindern Regeln zu vereinbaren: „Weil es nach der Schule sonst daheim locker weitergeht.“
INFO
DER HANDY-ERLASS
→ gilt für Kinder der ersten inklusive der sechsten Schulstufe.
→ Die Schulen müssen zur Umsetzung eine Verhaltensvereinbarung (Hausordnung) im Schulforum oder im Schulgemeinschaft sausschuss beschließen.
→ Die Schulen legen fest, wo die digitalen Endgeräte verwahrt werden.
→ Empfohlen werden versperrbare Handy-Garagen.
→ Für einen Schaden, der der Schule oder einer Lehrperson angelastet werden kann, haft et die öffentliche Hand.
→ Bei Verstößen gegen die Hausordnung kann die Schule eine Verwarnung aussprechen, einen Brief an die Eltern schreiben und den Schüler ins Klassenbuch eintragen.
→ Der Erlass gilt auch für Smartwatches.
→ Schulen sind auch in der Pause und in der Nachmittagsbetreuung handyfrei. In Ganztagsschulen mit verschränkter Abfolge auch in den Freizeiteinheiten.
Fotos: iStock, Privat, Land Steiermark/Binder, Landesverband Elternvereine, FSG