Er ist der Grund, warum sich die Besucher der Weltausstellung in Japan ein Bild von der Steiermark machen können. Aber die Kunst von Tom Lohner ist in den USA ebenso bekannt wie in Riegersburg oder bei BMW. Dabei war er im Zeichenunterricht nie eine Eins.

Seit September letzten Jahres arbeitete Tom Lohner am „steirischen Paravent“, der anlässlich der EXPO in Osaka im Austria Pavillon präsentiert wird. Ein monumentales Wimmelbild auf 200 Kilo steirischem Nussholz.
GRAZETTA • Mit Dir gibt es erstmals in der Geschichte der GRAZETTA ein Cover, das von der Titelperson gestaltet wurde. Wie ist es, wenn man sich als Künstler selbst porträtiert?
TOM LOHNER • Zugegeben, es war schon eine Herausforderung, aber gleichzeitig natürlich eine super Freude. Mir war es wichtig, dass ich mit dem Cover den Nagel auf den Kopf treffe. Was ist mir im Moment wichtig? Was bewegt mich? Das waren Fragen, die ich mir gestellt habe und die ich mit der Arbeit beantworten wollte. Und da ist es in den letzten Monaten und Wochen natürlich vorrangig um die EXPO gegangen, die im April in Osaka beginnt und bei der ich mit dem „steirischen Paravent“ im Austria Pavillon vertreten bin. Daher die japanische Sonne im Zentrum. Die Tauben gelten als Sinnbild dafür, dass alles gut wird. Die Koi Karpfen und die Kirschblüten symbolisieren Japan, die Tannenzapfen stehen für die Steiermark. Wie bei einem Rezept wurden die einzelnen Zutaten zusammengetragen und dann wurde gekocht. Aber was die Gestaltung anbelangt, bin ich mit dem Cover einen neuen Weg gegangen und arbeite erstmals auf drei physischen Ebenen.

Der Künstler an seinem Wirkungsort, in der Bakerhouse Gallery in Graz mit Almdudler aus seiner limitierten Edition: „Davon gab es 10.000 Stück.
Die sind bis auf ein paar wenige ausverkauft und werden jetzt nur noch als Sammlerobjekte im Internet angeboten.“
Du hast den Paravent angesprochen, den Du im Juni in Osaka im Zuge der EXPO präsentieren wirst. Er ist 200 Kilo schwer und aus steirischem Nussholz. Die unzähligen Motive darauf verbinden nicht nur Moderne und Tradition, sondern auch Ost und West. Es sieht auf den ersten Blick wie ein Wimmelbild der Steiermark aus.
TL • Ein Bild muss ein Hingucker sein. Aber es braucht einen zweiten Blick, der
in die Tiefe und auf Entdeckungsreise geht. Und es sollen weitere Blicke folgen, die den Betrachter einfangen und bei ihm Fragen und Interpretationen aufwerfen. Bei Ausstellungen im Ausland passiert es mir oft, dass die Leute, die mich nicht kennen, vor meinen Bildern stehen. Das ist großartig. Sie reden ungefiltert über ihre Eindrücke und teilen im Gespräch mit, was sie empfinden. Ich möchte Gemälde malen, die über das Nett weit hinausgehen. Nett reicht nicht. Beim Paravent ist das eine Fülle an Komponenten und Details, die das Resultat interessant macht. Das erinnert mich wieder ans Kochen. Du kannst ein Gericht so zubereiten, dass es satt macht. Oder mit Raffinesse darangehen, dass es in Erinnerung bleibt und man die einzelnen Zutaten wissen will.

In den vergangenen Jahren entstanden Kooperationen mit Almdudler oder BMW. Eine Straßenbahn wurde von Dir gestaltet. Deine großflächigen Bilder wurden in Miami und Dubai ausgestellt. Der Künstler Tom Lohner ist jetzt keiner, der in der stillen Kammer sitzt.
TL • Sobald man seinen Stil gefunden hat, sollte man ihn meiner Meinung nach außen tragen. Das war bei mir immer authentisch und mit Freude verbunden. Weil ich absolut und voller Leidenschaft dafür einstehe. Ob meine Kunst gefällt oder nicht, das ist wie in vielen Fällen auch Ansichtssache. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Aber Kunst darf und soll polarisieren, sie darf nicht nett und bekömmlich sein. Am Ende des Tages geht es um Einzigartigkeit. Und damit wird man als Künstler auch bekannter und nachgefragt. Jeder Schritt nach außen, jedes Werk oder jeder Druck ist Werbung. Von den limitierten Flaschen in Zusammenarbeit mit Almdudler gab es 10.000 Stück. Die sind bis auf ein paar wenige ausverkauft und werden jetzt nur noch als Sammlerobjekte im Internet angeboten.
Neben Unternehmen im In- und Ausland zählen auch Stars wie Alice Cooper oder Lady Gaga zu Deinen Kunden. Aktuell gibt es auch ein Projekt zusammen mit dem Schauspieler Dan Aykroyd. Wie ist es dazu gekommen?
TL • Begonnen hat das Ganze eigentlich während Corona. Die Assistentin von Aykroyd hat mich über Instagram kontaktiert. Man muss wissen, dass ich seit ewigen Zeiten ein großer Fan von Dan Aykroyd bin. Es ging um seine Vodka-Marke Crystal Head und ob ich da eine gestalterische Idee hätte. Also habe ich ein paar Sachen entworfen und seitdem tauschen wir uns aus. Er hat auch schon ein Gemälde von mir und das Gesamtkonzept entwickelt sich stetig. Genau das habe ich damit gemeint, dass man mit seiner Kunst auf die Menschen zugehen und die frohe Botschaft nach außen tragen sollte. Irgendwann entwickelt sich dann eine ganz eigene Dynamik und dann ruft dich Marcel Hirscher an oder du kommst mit David Alaba ins Gespräch. Alles Personen, die kreativ sind und Bodenhaftung haben. Eine der kreativsten Unterhaltungen hatte ich im Übrigen mit Josef Zotter. Da sind wir gerade dabei, die Kapelle gegenüber seiner Manufaktur neu zu gestalten. So nach dem Motto „Church Goes Pop“. All diese Projekte sind eine absolute Bereicherung für mein Leben und meine Arbeit. Man muss nur aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Das kann auch schiefgehen.
Was meinst Du?
TL • Vor etwas mehr als drei Jahren hatte ich ein Burn-out. Damals ging es mit meiner Kunst gerade richtig durch die Decke. Ich war gerade mit einer Ausstellung in New York. Grundsätzlich würde ich mich als eher faden Typen bezeichnen, der aber energiegeladen ist. Ich wache also alleine im Hotelzimmer auf und bekomme keine Luft mehr. Zuerst dachte ich an einen Herzinfarkt. Was folgte, waren Panikattacken über zehn Tage hinweg. Zurück in Österreich habe ich eine Therapie begonnen, die mich über ein Jahr lang begleitet hat. Diese Therapie hat mir das Leben im Moment beigebracht und dazu geführt, dass ich heute mehr bei mir bin. Ich gehe entspannter an die Dinge heran, spüre mehr und kann mich anders einschätzen. Über die Meditation finde ich zu neuen Wurzeln, kann die Zukunft steuern und bin Herr meiner selbst. Insofern eigentlich ein Glücksfall.
Man muss durch den Plafond durch. Einzigartig, raffiniert und verrückt muss die Kunst sein. Und Eindruck hinterlassen. Du musst viel von dir hergeben und darfst nicht an der Oberfläche kratzen.
Im August veranstaltest Du einen Workshop mit dem renommierten Sportpsychologen Gernot Knapp, in dem ihr der Frage nachgeht „Was bedeutet Glück für dich?“
TL • In diesen zwei Tagen wollen wir die Menschen dabei unterstützen, um herauszufinden, was ihnen im Leben eigentlich fehlt. Da geht es darum, sich nicht verstecken zu müssen, sondern die Sehnsüchte und Wünsche zu visualisieren und bildlich aufzugreifen. Es geht darum, den Moment zu erkennen und einen positiven Fingerabdruck zu hinterlassen.
Der Moment ist für Dich ganz wesentlich. Kannst Du Dich noch an den Moment erinnern, in dem Dir klar wurde, dass Du Künstler werden willst?
TL • Das war die Begegnung mit dem Galeristen Klaus Billinger, mit dem ich heute hier in der Bakerhouse Gallery arbeite. Er hat sich um das Marketing gekümmert und das hat binnen kürzester Zeit ein Lauffeuer entfacht. Heuer wird es noch einen Dokumentarfilm über meine künstlerischen Anfänge und den Start der Galerie geben. Rückblickend war es ein verrückter Prozess, den wir da gestartet haben. Aber der Wunsch, als Künstler zu arbeiten, reicht noch weiter zurück. Unlängst habe ich einen Zettel gefunden, auf dem ich im Alter von 14 Jahren meine Berufswünsche aufgelistet habe. An erster Stelle steht Künstler, gefolgt von Architekt, Schlagzeuger und Grafikdesigner. Ein ganz guter Schnitt. Bis auf den Architekten ist alles aufgegangen.
„Zum Träumen habe
ich aber bis heute
nicht aufgehört. Deswegen gehen
mir auch nie die
Ideen aus.„

Also hast Du schon als Jugendlicher zum Pinsel gegriffen?
TL • Schon viel früher. Eigentlich schon im Kindergarten in den USA. Wir waren dort über zwei Jahre, weil mein Vater dort eine Anstellung als Biochemiker hatte. Zurück in Österreich war das Zeichnen dann so etwas wie meine ganz eigene Phantasiewelt, in die ich permanent abgetaucht bin. Später in der Schule war ich dann auch total oft abwesend, hatte in Zeichnen aber immer ein Befriedigend, aufgrund von Themenverfehlungen und weil ich die Regeln nicht befolgte. Zum Träumen habe ich aber bis heute nicht aufgehört. Deswegen gehen mir auch nie die Ideen aus.
Und Musiker wäre keine Alternative gewesen?
TL • Die Musik war immer präsent und ist mit meiner Kunst verschmolzen. Schon während der Ausbildung zum Grafikdesigner im Abendkolleg der Ortweinschule habe ich mich um Storyboards, Bühnenbild und CD-Covers für Bands gekümmert. Als Schlagzeuger spielte ich in vier Bands, aber die Kunst ist letztendlich geblieben. Und die Musik ebenso. Vor vier Jahren durfte ich für Andreas Gabalier das Cover der Single „Pump It Up“ mit Arnold Schwarzenegger und sein Best-of-Album gestalten. Der Austausch funktioniert also nach wie vor..
Gibt es Menschen, mit denen Du Dich regelmäßig über Dein Schaffen austauscht?
TL • Mein Bruder Andreas ist hauptberuflich Grafikdesigner und mit ihm stehe ich in einem permanenten kreativen Dialog. Die Kunst ist mein steter Begleiter, sie fordert mich. Das kann man nicht steuern. Fällt mir etwa während der Autofahrt eine Idee ein, muss ich wo ranfahren, hole Stift und Zettel aus der Tasche und mache die ersten Skizzen. Es ist wie ein Drehbuch, in das ich dann eintauche. Ein Post-it hat oft mehr Energie als ein großes Gemälde. In der Galerie tauche ich dann acht Stunden lang vor der Leinwand in einen Prozess ein, den ich genieße. Es fühlt sich an, wie nach Hause zu kommen. Die Bilder sind eine Landkarte meiner Gedanken und mit der Musik wird das Eintauchen noch tiefer und intensiver.
Die Kunst hat Dich immer wieder ins Ausland geführt. Wie international möchte Tom Lohner noch werden?
TL • In den letzten Jahren hat es immer wieder internationale Auft ritte gegeben. Das zieht sich wie ein roter Faden durch, den Klaus Billinger bündelt und mit viel Energie und Übersicht durch die Kunstwelt zieht. Wir werden bei der EXPO in Japan mit diesem Faden versuchen, ein weiteres Netzwerk zu stricken. Danach geht es zu einer weiteren Ausstellung nach New York. Und dort werden wir etwas Größeres für 2026 planen. Die Bakerhouse Gallery ist eine große Reise.

Ist die Bakerhouse Gallery das Fundament für den Erfolg?
TL • Durch die vielen unterschiedlichen Arbeiten, die hier ausgestellt werden, ist
es vor allem auch ein Ort der Inspiration und daher der perfekte Arbeitsplatz. Es ist Fundament und Plattform für ein künstlerisches Kollektiv, das miteinander agiert und gemeinsam erfolgreich ist. Weil du als Kollektiv auch stärker bist. Und es schafft ein gemeinsames Bewusstsein.
Welchen Rat kannst Du einem jungen Künstler geben, der noch ganz am Anfang seines Schaffens steht?
TL • Man muss durch den Plafond durch. Einzigartig, raffiniert und verrückt muss die Kunst sein. Und Eindruck hinterlassen. Du musst viel von dir hergeben und darfst nicht an der Oberfläche kratzen. Gleichzeitig gilt es, das Gegenüber auf die Reise mitzunehmen, offen zu sein. Es gibt Kunden von mir, die sehen einen ersten Entwurf auf sozialen Medien und melden sich bereits. Dann gibt es welche, die haben eine Idee und beauft ragen dich damit. Und dann gibt es Firmen, die wollen eine bestimmte Zielgruppe erreichen und erwarten dabei Authentizität. Vor kurzem habe ich für das Schweizer Unternehmen Victorinox ein Taschenmesser gestaltet. Es gab keine konkrete Vorgabe, aber der Stil musste unverkennbar sein. Diese limitierte Edition war in fünf Tagen ausverkauft .
Foto: Benjamin Gasser