Bei den Wirtschaftskammerwahlen vom 11. bis zum 13. März 2025 stellt sich Josef Herk, Präsident der WKO Steiermark, als Spitzenkandidat des Steirischen Wirtschaftsbundes der Wahl: Mit einem klaren Bekenntnis zur Leistung, mit Argumenten, die klar auf dem Tisch liegen und mit Aufgaben, die vor der eigenen Tür erledigt werden.
GRAZETTA • Im Jänner fragte die Wirtschaftskammer im Rahmen einer Protestaktion am Grazer Hauptplatz gemeinsam mit zahlreichen Unternehmern „Stadt oder Stillstand.“ Wurden Antworten für ein ausgewogenes Zusammenspiel von Ökologie, Ökonomie und sozialen Aspekten gefunden?
JOSEF HERK • Untersuchungen des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung belegen, dass die Landeshauptstadt mittlerweile in vielerlei Hinsicht eine unterdurchschnittliche Entwicklung aufweist. Gegenüber 2023 wurden in Graz eine Million Besucher weniger gezählt. Das Wasser steht den Unternehmern bis zum Hals, der Leidensdruck ist immens. Es geht um Existenzen. Allein in der Innenstadt gibt es um zehn Prozent weniger Handelsbetriebe als noch vor zehn Jahren. Auf die Fehlentwicklungen der letzten Jahre haben wir mit einem Manifest für die Grazer Wirtschaft geantwortet. Wir wollen definitiv verhindern, dass die Innenstadt zu einem Museum wird. Die Plätze und Gassen von Graz müssen pulsieren, Gewerbeflächen innovativ und unkompliziert gemanagt und das Altstadterhaltungsgesetz zeitgemäß reformiert werden. Die unternehmerischen Anliegen wurden einfach nicht wahrgenommen, sondern auf die lange Bank ge schoben. Das ist für den Unternehmer das schlimmste Möbelstück. Deswegen bin ich dafür, dass alle Vorschläge und Lösungen auf den Tisch gelegt werden.
Letztendlich ist es ja hochgradig absurd, wenn jemand bestraft wird, wenn er etwas leistet und vollbeschäftigt ist.
JOSEF HERK, Präsident WKO Steiermark
Kann das präsentierte Maßnahmenpaket noch einen Umschwung bringen? Das Bild, welches das Konjunkturbarometer der WKO Steiermark für heuer zeichnet, ist eher düster. Nicht nur die Steiermark, sondern auch Österreich und ganz Europa verliert an Wettbewerbsfähigkeit.
JH • Es hilft nichts, wenn wir nach Wien oder Brüssel blicken. Die Hausaufgaben müssen vor der eigenen Tür erledigt werden. Jeder Handgriff muss mit Hausverstand evaluiert, Stadt und Land in die Verantwortung genommen werden. Da gilt es vor allem bei den Behörden die richtigen Impulse zu setzen, denn die explodierende Bürokratie ist für die Unternehmer ein Riesenproblem. Daher setzen wir mit Nachdruck auf das Werkzeug der „Sunset Legislation“ und damit auf ein Verfahren, das auf die Wirksamkeit von gesetzlichen Maß-nahmen und die Kosten von deren Umsetzung Einfluss nimmt. Da wir ein massives Ausgabenproblem haben, sollte man sich von einigen Maßnahmen aus der Vergangenheit, die nicht gerade durch Effizienz geglänzt haben, verabschieden. Da fallen mir diverse Transferleistungen ein, aber vor allem der Klimabonus. Wer nur fordert und wenig beiträgt, gefährdet den Wohlstand. Die staatliche Vollkasko-Mentalität und das überbordende Sozialsystem können wir uns ja ohnehin nicht mehr leisten.
De facto fordern Sie weniger Bürokratie für eine langfristige Entlastung des Unternehmertums.
JH • Diese Entlastung betrifft nicht nur die Unternehmer. Man muss auch in den öffentlichen Bereichen den Mut haben, Verfahren auszulagern, um die Anliegen der Bürger effektiv und in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu behandeln. Abgesehen davon gibt es Vorhaben wie in der Baubranche, die vorrangig behandelt und abgewickelt werden müssen. Grundsätzlich braucht es ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Attraktivierung und Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Dazu gehört auch die Reduktion der Energiekosten, die bei uns bis zu dreimal so hoch sind wie in den USA oder in China. Mit einer Verlänge rung des Strompreiskostenausgleichsgesetzes bis 2030 könnten Produktionsbetriebe etwa eine Unterstützung erfahren. Zudem sind Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur unabdingbar. Da geht es nicht nur um die Koralmbahn, sondern konkret auch um den dreispurigen Ausbau der A9 oder der S36. Bund und Land haben dabei ihre Kräfte zu bündeln. Immerhin geht es um den zweitgrößten Wirtschaftsstandort Österreichs. Die Säulen einer funktionierenden Wirtschaft sind nun einmal leistbare Energie, eine funktionierende Infrastruktur und gut ausgebildete Menschen. Menschen mit einer Haltung, die für etwas brennen.

Ein besonders robustes Stück im Büro des Präsidenten der WKO Steiermark.
Als Präsident von Skills Austria, dem Kompetenzzentrum zur Förderung von Talenten in der Berufsbildung, leisten Sie auch einen aktiven Beitrag zur Ausbildung von Fachkräften. Wie stark brennt das Feuer in der Steiermark für die Lehre?
JH • Die Zahl der Jugendlichen, die den Ausbildungsweg einer Lehre einschlagen, ist trotz der schwierigen demografischen Lage mit knapp über 42 Prozent weiterhin stabil. Im Zehn-Jahresvergleich liegt die Quote damit sogar über dem Wert von 2014, der damals bei 40,8 Prozent lag. Durch die Erfahrungen und Bewerbe mit Skills Austria kann ich auch sagen, dass Österreich und die Steiermark im internationalen Vergleich durchaus als „Home of Talents“ zu bezeichnen sind. Die Lehrlingsstelle der WKO Steiermark hat im Rahmen der Lehrbetriebs- und Lehrlingsförderung des Bundes über 47.000 Fälle in unterschiedlichen Kategorien abgewickelt und mit einem Fördervolumen von über 50 Millionen Euro die Weiterentwicklung unterstützt. Laut den letzten Zahlen des AMS gab es in der Steiermark 2.488 offene Lehrstellen, diesen standen 1.350 Lehrstellensuchende gegenüber. Der Bedarf ist also vorhanden. Jugendliche sollen wieder wissen, dass sich Leistung lohnt, und die Bereitschaft dafür muss in den Kindergärten und Schulen geweckt werden. Mit Fächern, die über wirtschaftliche Grundkompetenz und Finanzbildung aufklären. Dafür bedarf es eines Umdenkens im gesamten Bildungssystem, das meiner Meinung nach eher zum Mittelmaß erzieht und nicht zur Leistungsbereitschaft. Diesbezüglich gibt es dringendsten Handlungsbedarf, um den Arbeitsmarkt zu belüften.
Mit frischem Wind aus steuerlichen Anreizen?
JH • Etwa mit einer pauschalen Steuer von 20 Prozent auf Überstunden und Zuverdienste in der Pension. Denn der jetzige Mangel an Fachkräften wird durch die Pensionierungswelle in den kommenden Jahren noch größer. Laut Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche gehen in den nächsten zwei Jahren bis zu 540.000 Menschen in Pension. Bis 2040 wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um 265.000 Personen abnehmen. Dabei wären viele bereit, mehr und länger zu arbeiten, würde es sich finanziell für sie auszahlen. Nämlich ganze 64 Prozent bei den Berufstätigen und bei der Generation 60 Plus sind es sogar über 80 Prozent. Letztendlich ist es hochgradig absurd, dass jemand bestraft wird, wenn er etwas leistet und vollbeschäftigt ist. In diesem Zusammenhang sehe ich die Teilzeit als absoluten Leistungskiller.
Die unternehmerischen Anliegen wurden einfach nicht wahrgenommen, sondern auf die lange Bank geschoben. Das ist für den Unternehmer das schlimmste Möbelstück.
JOSEF HERK, Präsident WKO Steiermark
Auf der einen Seite suchen Unternehmen krampfhaft Mitarbeiter und gleichzeitig sind momentan 55.934 Menschen in der Steiermark ohne Beschäftigung. Ein Plus von 5,9 Prozent zum Vorjahr. Und die Arbeitslosigkeit soll im ersten Halbjahr 2025 weiter zunehmen. Verstehen Sie das?
JH • Die Situation hat mit der demografischen Entwicklung zu tun und der daraus resultierenden hohen Zahl an Pensionsantritten. Was wiederum in vielen Bereichen zu einer Verknappung am Arbeitsmarkt führt. Und da kommt auch wieder die Teilzeitquote ins Spiel. Denn es wurde die Anzahl der Beschäftigten zwar in der Vergangenheit gesteigert, aber deren Leistungsvolumen nicht. Jener, der volle Leistung abliefert, muss wieder zum Hero in der Gesellschaft werden. Mit dem konsequenten Ausbau der Kinderbetreuung ist der Wiedereinstieg der Frauen in den Arbeitsmarkt zu forcieren und ich denke auch, dass bei den Leistungen für Arbeitslose die Schraube anzuziehen ist. Wir bauen eine Hypothek gegenüber unserer Jugend auf, die nicht zu verantworten ist. Um dem entgegenzuwirken, braucht es Eigenverantwortung, selbstständiges Denken, Mut zum Risiko und Freude an der Innovation. Und damit Eigenschaften, die eine erfolgreiche Wirtschaft und Gesellschaft ausmachen.
Mit dem „Center of Excellence” startete die WKO Steiermark das größte Bildungsinfrastrukturprojekt in ihrer Geschichte und löst Schritt für Schritt die WIFIWerkstätten ab. Wie weit ist das Projekt fortgeschritten?
JH • Die Bauarbeiten laufen seit zweieinhalb Jahren, insgesamt werden auf über 14.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche modernste Werkstätten errichtet. Neue Qualifizierungsangebote für zahlreiche Branchen werden dort möglich. Nach der Fertigstellung des ersten und größten Bauabschnitts werden dort bereits Schweiß- und Elektrotechnik sowie Mechatronik, Energie-, Klima- und Gebäudetechnik gelehrt. Das sind alles Qualifizierungen, die aufgrund der Energiewende gefragt sind. In diesem Herbst folgt dann der zweite Bauabschnitt mit den Bereichen Metall- und Kfz-Technik sowie Gastronomie. Diese komplexe Bildungseinrichtung ist eine Bereicherung für die berufliche Weiterbildung, ergänzt unsere zahlreichen Institutionen und Bildungsangebote und stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit. Denn wir sind in Österreich kein Billiglohnland, sondern in der ganzen Welt für unsere hoch qualifizierten Arbeitskräfte und Handwerker bekannt. Es muss alles getan werden, damit dies auch so bleibt.

„Es braucht Eigenverantwortung, selbstständiges Denken,
Mut zum Risiko und
Freude an der
Innovation.“
Genau heuer vor 175 Jahren forderte Erzherzog Johann eine eigene Standesvertretung für die Wirtschaft . Die Wirtschaftskammer war geboren. Wie viel Gründergeist steckt heute noch in der Steiermark?
JH • Ein sehr starker. Dies zeigen deutlich die Zahlen, welche die WKO Steiermark im Zuge der Gründermesse 2025 erhoben hat. Demnach wagten trotz der bekanntlich herausfordernden Zeiten im vergangenen Jahr 4.928 Steirer den Schritt in die Selbstständigkeit. Diese Zahl liegt knapp auf dem Niveau des Vorjahres und ist damit der dritthöchste Gründerwert in der steirischen Geschichte. Mit 13 Unternehmensgründungen täglich kann man die Steiermark schon als Gründerland bezeichnen. Erfreulich ist auch, dass der Anteil weiblicher Gründerinnen auf 46,6 Prozent gestiegen ist. Diese Menschen bei ihrem Schritt und ihrer Eigenverantwortung zu unterstützen, ist unsere Aufgabe. Im Vorjahr erfolgte dies etwa mit umfangreichen Beratungs- und Serviceangeboten über das WKO-Gründerservice, das über 40.000 Kontakte verzeichnete.
Sie waren jahrzehntelang Unternehmer. Seit 2011 Präsident der Wirtschaft skammer Steiermark, Stellen Sie sich als Spitzenkandidat des Steirischen Wirtschaft sbundes (WB) wieder der WK-Wahl. Bei der letzten Wahl konnte der WB mit 71 Prozent ein herausragendes Ergebnis erzielen. Was erwarten Sie heuer?
JH • Die Bäume wachsen bekanntlich ja nicht in den Himmel. Aber aufgrund der geleisteten guten Arbeit erwarte ich auch ein gutes Ergebnis. Wie bei jeder Wahl wird man an der Leistung gemessen. Man darf dabei nicht vergessen, dass sich die Stimmungslage im Land auch in unserem Bereich niederschlägt. Es hat in den einzelnen Fachgruppen sehr viel Einsatz gegeben. Im letzten Jahr konnten wir bei 97.000 Anfragen von rund 30.000 Mitgliedsbetrieben unterstützen. Diese Solidarität und Gemeinschaft sind Besonderheiten, die nicht zwei Wochen vor der Wahl plötzlich auft auchen, sondern dem Einsatz vieler Jahre geschuldet sind. Und diese gilt es weiterzutragen.
Fotos: Benjamin Gasser