Vor 13 Jahren gründete der Grazer Roman Lurf in den Räumlichkeiten einer Kinderbetreuung die LL-resources GmbH. Heute beschäftigt das globale Rohstoffunternehmen weltweit rund 400 Mitarbeiter und kontrolliert vom Bergbau bis zum Handel die komplette Lieferkette. Eine Reise, die am Erzberg begann und in die ganze Welt führt.
GRAZETTA • Die LL-resources GmbH ist ein unabhängiges, globales Rohstoffunternehmen, das die komplette Wertschöpfungskette vom Erzkörper bis zum Markt abdeckt. Das klingt erstmals nach Abenteuer und fremden Ländern.
ROMAN LURF • Die Annahme ist grundsätzlich richtig. Wir sind in unserer Branche und darüber hinaus als voll integrierter Lieferant, Verarbeiter und Hersteller von mineralischen, aber auch nicht mineralischen Rohstoffen bekannt. Diese finden sich vorzugsweise in Südamerika, dem Mittleren Osten und Afrika und da oft auf exotischen Plätzen. Europa spielt hier aufgrund der europäischen Rohstoffpolitik eher eine untergeordnete Rolle. In diesem Geschäft muss man sich mit den Gegebenheiten vor Ort arrangieren, Beziehungen und Vertrauen zu den lokalen Produzenten, Partnern und Kunden aufbauen und dabei mit einem ganzheitlichen Ansatz den Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette und damit mögliche Risiken legen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Erst einmal gilt es, für den Kunden die Rohstoffe zu finden, und damit beginnt der Prozess meistens auch. Als die LL-resources 2011 gegründet wurde, führte mich eines der ersten Projekte nach Sambia, um für einen Kunden größere Mengen von Mangan-Erz zu beschaffen. Dort landest du dann ohne Gepäck mit ein paar Kontakten und beginnst das geschäftliche Fundament aufzubauen.
Sie haben einen Masterabschluss und ein Doktorat im Fach Bergbau und sind gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bergbau und Bewertung von Bergbauprojekten. Aber man geht ja nicht von der Montanuniversität in Leoben ab und setzt sich gleich in den Flieger nach Sambia.
RL • Als ich mit 36 Jahren die LL-resources GmbH gründete, begann ich bei null. Unser erstes Büro war in den Räumlichkeiten der WIKI Kinderbetreuung eingemietet, und zugegeben, es war ein sehr herausfordernder Start. Als Familienvater hat man schließlich Verantwortung und muss dementsprechend agieren. Glücklicherweise hat mich meine Frau in der Entscheidung sehr unterstützt. Wir beschlossen gemeinsam, dass wir es wagen wollen. Falls es nicht funktioniert hätte, wären wir mit ziemlicher Sicherheit ins ferne Ausland ausgewandert. Grund hierfür ist, dass die großen Bergbaukonzerne größtenteils außerhalb von Europa ansässig sind. Fakt ist aber auch, dass ich aufgrund meiner Ausbildung und der beruflichen Erfahrung ein solides Fundament hatte, auf dem man aufbauen und etwas wagen konnte. Schon während meines Studiums arbeitete ich im Bergbau und lernte das Rohstoffgeschäft in all seinen Facetten kennen. Das führte mich auch während meiner Studienzeit für neun Monate nach Australien. Vor und nach meiner Promotion arbeitete ich für den zweitgrößten Bergbaukonzern der Welt, um anschließend in die Ferrochrom- und Rohstoffhandelsindustrie einzutauchen. Dabei wurde ich beauftragt, als CEO den größten Ferrochromproduzenten in Albanien zu sanieren, anschließend den Verkaufsprozess zu führen und diesen erfolgreich abzuschließen. Das hat auch funktioniert und mit dem Verkauf fiel auch die endgültige Entscheidung, meinen Fokus zu hundert Prozent auf die LL-resources GmbH zu legen. Dabei war es von Anfang an klar, dass man die Extrameile gehen muss, um erfolgreich zu sein und zu wachsen. Und diese Extreameile führt dann eben auch nach Sambia.
„Wir hängen nicht nur von einer bestimmten Industriesparte ab, sondern stehen auf vielen Beinen.“
Wie wird in einem gebürtigen Grazer das Interesse am Bergbau geweckt?
RL • Die Faszination für Bergbau und Rohstoffe hat mich schon im Alter von sieben oder acht Jahren bei einem Schulausflug, der am Erzberg vorbeiführte, ereilt. Mit 14 unterbrach ich meine Schullaufbahn für zwei Jahre und startete eine Lehre als Stahlbauschlosser. Das war eine sehr prägende Zeit für mich, die auch für meinen weiteren Lebensweg wichtig war. Danach ging es zurück an die HTL. Ebenso prägend für den weiteren Weg war sicher die Zeit auf der Montanuniversität in Leoben, wo ich in Mindestzeit studierte. Vor allem das meiner Meinung nach einzigartige und sehr persönliche Engagement des Lehrpersonals für die Studenten, gepaart mit den sehr interessanten Studienrichtungen, ist in Europa unvergleichlich. Diese Ausbildung ist eine ausgezeichnete Basis, um im Berufsleben sehr erfolgreich zu sein. Und noch wichtiger, die Zukunft in Hinblick auf Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und vielem mehr wirklich mitgestalten zu können. Hier möchte ich unter anderen den jetzigen Rektor der Montanuniversität Professor Peter Moser hervorheben, der mich bis zur Promotion erfolgreich und tatkräftig begleitete. Durch die weltweiten Berufsmöglichkeiten und speziellen Studienrichtungen war diese Ausbildung schlussendlich zielführend für mich. Rückblickend würde ich heute nichts anders machen.
Für den globalen Handel mit Rohstoffen braucht es neben Erfahrung vermutlich auch eine solide finanzielle Basis.
RL • Ein wesentlicher Punkt ist, dass man bei den Transaktionen auch in finanzielle Vorleistung gehen muss. Dazu brauchte man zu Beginn eine Bank, die an einen glaubt. In unserem Fall war es die UniCredit, die uns als kleinster Kunde im Großkundensegment einen Kredit von einer Million Dollar einräumte. Wir konnten dann Jahr für Jahr ein Wachstum von 50 Prozent und mehr erreichen, was uns wiederum erlaubte, weiter zu wachsen. Heute gehören zur Unternehmensgruppe rund 15 Tochterunternehmen im Ausland mit Produktionsstätten in Deutschland, Lettland, Schweden, Oman und Slowenien sowie Handelsniederlassungen in Deutschland, USA, Indien, China, Argentinien, Dubai und einigen Staaten mehr. Abhängig vom Rohstoffpreis erwirtschaften wir einen Umsatz von 600 bis 800 Millionen Euro jährlich. Davon entfällt ein einstelliger Prozentsatz auf den österreichischen Markt. Etwa 25 Prozent des Gesamtumsatzes werden aus der eigenen Produktion generiert, der Rest aus dem Handel. Wir bedienen mit weltweit 400 Mitarbeitern aus 25 Nationen ein Netzwerk von etwa 350 Kunden, von denen sehr viele große Konzerne sind. An den österreichischen Standorten sind 35 Mitarbeiter beschäftigt. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil der LL-resources GmbH ist, dass wir mit der L3-Logistics GmbH ein eigenes Logistikunternehmen leiten. Dieses verfügt über ein eigenes Warenlager und ist auf Seefracht sowie Landtransporte spezialisiert. Nur durch das Zusammenspiel von Produktion, Handel, Logistik, Finanzierung und Marketing ist ein Wettbewerb mit globalen Großkonzernen überhaupt erst möglich.
Erst einmal gilt es, für den Kunden die Rohstoffe zu finden,
die er benötigt und dann beginnt der Prozess.
Neben den Rohstoffpreisen am Weltmarkt nehmen auch Konflikte, Kriege und Krisen Einfluss auf Ihr Geschäft. Inwiefern sind diese Auswirkungen planbar?
RL • Man muss die Lage einschätzen können und dem geht eine intensive Beobachtung des Marktes und der Situation im jeweiligen Land voraus. Der Krieg in der Ukraine hat uns überrascht, aber wir haben schnell reagiert. Bis dahin belieferten wir die großen Stahlproduzenten in Russland. Mittlerweile haben wir uns ohne Verluste aus Russland komplett zurückgezogen. Möglich war dies, weil mein Geschäftspartner Anatoly Zaytsev, der seit 2013 mit an Bord ist, hier einen ausgezeichneten Job gemacht und auch sonst federführend zur Entwicklung der LL-resources GmbH beiträgt. Speziell bei Problemen und deren Lösung ist der persönliche Kontakt zu Kunden, Serviceanbietern und Lieferanten zwingend notwendig und ermöglicht eine rasche Umsetzung des Geplanten.
Sie haben die Stahlproduktion angesprochen. Welche Rohstoffe werden besonders stark nachgefragt?
RL • Etwas mehr als 50 Prozent unserer Produkte gehen in die Stahl- und Eisenindustrie und hier geht es um Produkte wie Chrom- und Manganlegierungen, aber auch um Titan, Vanadium und vielem mehr. Gut nachgefragt sind auch Polymere für die Plastikproduktion, hochwertige Bitumen für den Straßenbau und natürlich Aluminium, das wir in unserem eigenen Schmelzbetrieb in Deutschland recyceln. Überhaupt wachsen und investieren wir verstärkt im Recyclingbereich, um die Transformation der Industrie mit zu begleiten. Aber wir beschaffen auch Düngemittel, handeln mit Getreide für den Agrarsektor. Strategisch hängen wir nicht nur von einer bestimmten Industriesparte ab, sondern stehen auf vielen Beinen. Als globales europäisches Rohstoff-haus ist es somit unsere Strategie, ein breites Segment mit einem sehr professionellen und zuverlässigen Service zu bedienen. Dafür braucht es Ideen, innovative Lösungen, starke Finanzierungspartner sowie ausgezeichnet ausgebildete und interessierte Menschen, welche die Extrameile mitgehen wollen.
Roman und Karina Lurf im Grazer Büro der LL-resources GmbH, die 2011 gegründet wurde: „Meine Frau hat mich in der Entscheidung unterstützt, gemeinsam den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.“
Erst im Mai dieses Jahres übernahm die LL-resources 50 Prozent der Anteile an AI Tamman Indsil Ferro Chrome, einem Ferrochromwerk mit eigenen Chromitminen im Oman für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.
RL • Damit haben wir auch langfristig in einen Partner investiert, der in der Region für Sicherheit, Stabilität, Stärke und großes Wachstumspotenzial steht. Der Übernahme sind fast sieben Jahre intensiver Verhandlungen vorausgegangen. Der Oman beschäftigt sich intensiv mit emissionsfreier Energiegewinnung, ist rohstoffreich und ermöglicht unternehmerisches Wachstum in einem sicheren und überschaubaren Umfeld. Das entspricht unserer Philosophie, zu der ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt und natürlichen Ressourcen zählt. Ziel ist es, im Oman CO2 positiv zu werden. Deshalb werden wir dort auch als nächsten Schritt eine bestehende Photovoltaikanlage, die aktuell 25 Megawatt liefert, auf eine Kapazität von 100 Megawatt ausbauen.
Die Verknappung von Rohstoffen ist immer wieder Thema. Haben Sie nicht die Befürchtung, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem keine Ware mehr da ist?
RL • Das sehe ich mittelfristig nicht so. Am Ende wird der Markt Großteils von Angebot und Nachfrage geregelt, daher halten sich die Befürchtungen in Grenzen. Kurzfristig kann es natürlich immer wieder zu Engpässen kommen. Meiner Erfahrung nach liegt es aber dann an innovativen und handlungsstarken Personen und Unternehmen, den richtigen Weg zu finden, um ans Ziel zu kommen. Sprich, lieferfähig zu sein. Das gilt für das Geschäft sleben wie für den Sport. Bis zu meinem 23. Lebensjahr fuhr ich Radrennen. Da zählt nur der Blick nach vorne, Schnelligkeit und harte Arbeit, um Berge versetzen zu können. Sollten die Voraussetzungen und Entwicklungen passen, streben wir mit der LL-resources in den nächsten drei bis fünf Jahren einen möglichen Merger mit einem ähnlichen Unternehmen an, um an die Börse zu gehen. Ich sehe das als weitere Extrameile, die wir zurücklegen werden.
Fotos: Benjamin Gasser