Julia Wess aus Köflach nahm vor zwei Jahren als 17-Jährige an einer Modenschau in Graz teil. Heute ist sie als Model international erfolgreich. Warum sie ihren Job und den Kontakt zu Menschen liebt, erklärt sie im Grazettina-Interview.
GRAZETTINA / Wie hat Ihre Karriere begonnen?
JULIA WESS / Eigentlich war es Zufall. Meine Großmutter hatte in der Zeitung gelesen, dass Teilnehmerinnen an einer Modenschau in der Shopping City Seiersberg gesucht werden. Weil mich die Model-Industrie immer schon interessiert hat, wollte ich es einfach einmal versuchen, einfach so. Denn erwartet habe ich mir nichts. Also habe ich mitgemacht, ich war gerade einmal 17 Jahre alt und ging noch zur Schule. Bei dem Wettbewerb vor einer prominenten Jury habe ich den ersten Platz erreicht. Damit habe ich nicht gerechnet, aber ich habe mich wahnsinnig gefreut. Es war schon ein tolles Erlebnis. Nach dem Wettbewerb sind einige österreichische Agenturen auf mich zugekommen.
Haben Sie den „Walk“ auf dem Laufsteg geübt, hat Ihnen dabei jemand geholfen?
JW / Nein, ich habe es einfach gemacht. Wenn ich mir den Walk heute ansehen würde, würde ich mich ein bisschen genieren. Aber auch im Nachhinein bin ich schon stolz, dass ich mich das damals getraut habe.
Sie haben zuerst die Matura gemacht und sind erst dann in den Beruf eingestiegen.
JW / Ja, ich wollte zuerst auf jeden Fall die Schule abschließen. Ich habe mir dann verschiedene Agenturen angesehen und mich dann für Addicted to Models entschieden, weil diese Agentur einen sehr guten Ruf hat.
Was bedeutet es, von einer Agentur unter Vertrag genommen zu werden?
JW / Man wird von der Agentur vermarktet. Man bekommt die Möglichkeit, Kunden kennenzulernen, denn direkt, ohne Agentur, würde das nicht funktionieren. Vor allem am Beginn der Karriere braucht man eine gute Agentur, um in Kontakt zu Kunden zu kommen. Wenn ein Kunde zum Beispiel Models für eine Modenschau braucht, wendet er sich an die Agentur und bucht deren Models entweder direkt, oder es gibt ein Casting, bei dem der Kunde jene Models auswählt, die zu seiner Show und zu seiner Werbekampagne passen.
„Ich glaube, was mir bei Castings entgegenkommt, ist, dass ich den Kontakt zu Menschen liebe. Das merkt man mir auch an.“
Ist es unangenehm, sich bei einem Casting präsentieren zu müssen?
JW / Überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich finde Castings interessant und mag sie, weil man sich in diesem Rahmen ein viel besseres Bild vom Kunden machen kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Castings für mich ein Vorteil sind, weil ich in diesem Rahmen die Möglichkeit habe, mich persönlich zu präsentieren.
Worauf muss man bei einem Casting achten?
JW / Man sollte immer authentisch bleiben. Aber klar ist, dass man zum Kunden und zu dessen Produkt passen muss. Ich wäre wahrscheinlich nicht das richtige Model für vegane Produkte, weil ich selbst keine Veganerin bin. Man sollte einem Kunden also nichts vormachen. Ich glaube, was mir bei Castings entgegenkommt, ist, dass ich den Kontakt zu Menschen liebe. Das merkt man mir wahrscheinlich auch an. Ich erhalte nämlich sehr viele positive Rückmeldungen und die meisten Jobs bekomme ich über Castings.
Sie kommen gerade von Castings und Jobs in Istanbul zurück. Wie ist es dort gelaufen?
JW / In Athen und Istanbul war ich On Stay, das heißt man ist für mehrere Wochen vor Ort. Man wohnt in einem Model-Apartment, das einem die Agentur vor Ort zur Verfügung stellt und wird dann zu Castings geschickt. In meinem Fall waren das bis zu zehn pro Tag. Die beiden längeren Aufenthalte waren für mich sehr erfolgreich, ich habe sehr viele Jobs bekommen. Was vielleicht auch daran liegt, dass mein Typ in den mediterranen Ländern sehr gut ankommt. Die wollen eben ein bisschen mehr Kurven. Meine nächste Station wird Mailand sein.
Was macht eine gute Präsentation bei einem Casting aus?
JW / Man muss breit aufgestellt sein. Man muss aber auch intuitiv wissen, was der Kunde braucht. Beim Casting hat man nur wenige Minuten, um den Kunden zu überzeugen. Wenn man dessen Anforderungen falsch einschätzt, hat man seine Chance verwirkt. Ein gutes Model präsentiert nicht nur ein Kleid oder ein Produkt, sondern macht daraus ein Gesamtkonzept.
Die Fashion-Industrie wird oft dafür kritisiert, dass sie Models einsetzt, die knapp vor dem Hungertod sind. Zurecht?
JW / In der High Fashion werden immer noch Models mit Size Zero eingesetzt. Es gibt auch einen Gegentrend, aber im Großen und Ganzen gilt immer noch: je dünner, desto besser. Ich bin aufgrund meines Körpers kein High Fashion Model und das werde ich auch nie werden. Ich werde für Catwalks gebucht, wo man nicht so dünn sein muss. Für Dessous oder Bademode zum Beispiel. Da braucht man keine Size Zero. Die Size Zero Models stehen unter einem großen psychischen Druck. Ich habe Kolleginnen, die gerade einmal 15 Jahre alt sind, und die bereits einem großen Druck standhalten müssen. Ihre Körper sind noch nicht einmal voll ausgewachsen und trotzdem müssen sie immer auf ihr Gewicht achten. Ich bin froh, dass ich erst mit 18 Jahren in dieses Geschäft eingestiegen bin.
„Size Zero Models
stehen unter einem
großen Druck.“
Wie lange wollen Sie diesen Beruf ausüben?
JW / Ich kann zurzeit nicht planen. Modeljobs werden sehr spontan vergeben, man muss also immer verfügbar sein. Ich bekomme manchmal am Abend eine Nachricht, dass ich am nächsten Tag in Wien bei einem Casting sein muss. Da bleibt keine Zeit zu planen, man ist auf Stand-by. Das geht, weil ich noch so jung bin, keine Familie habe. Ich werde es so lange machen, als es mir Spaß macht, solange ich es mit Leidenschaft mache.
Was möchten Sie später einmal machen?
JW / Ich habe schon eine Misswahl moderiert. Das hat mir große Freude gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, das in Zukunft öft er zu machen. Nach der Matura habe ich außerdem die Kosmetik-Ausbildung mit einer Meisterprüfung abgeschlossen. Das wäre auch eine berufliche Perspektive. Ich sehe schon, wohin es mich verschlägt. Und der Zufall spielt ja auch eine Rolle.
Fotos: MICHAELA PFLEGER, OLIVER RUDOLPH
Styling: VALENTINA KAUER-VOGRIN
Mode: STYLIST’S OWN
Schmuck: MIAGEMO
