Für Menschen, die wenig verdienen, wird es jetzt eng, die Teuerung auf allen Ebenen bringt Sorgen und Probleme. Das Sozialsystem hilft, diese Folgen zumindest teilweise abzumildern. Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) sieht in einem ausgebauten und sicheren Sozialstaat die Basis für sozialen Zusammenhalt. Nicht nur in Krisenzeiten.
GRAZETTA • Aktuell sind Sie zum zweiten Mal innerhalb von sieben Jahren in der Flüchtlings- und Vertriebenenhilfe gefordert. Welche Erkenntnisse von 2015 lassen sich auf die derzeitige Situation übertragen, was ist neu in der Ukraine-Hilfe?
DORIS KAMPUS • Wir alle sind tief betroffen von dieser menschlichen Katastrophe, die über die Menschen in der Ukraine gekommen ist. Der Krieg ist mitten in Europa angekommen. Das ist ein Unterschied zu 2015 und den ebenso schrecklichen Ereignissen damals in Syrien. Was die öffentliche Verwaltung betrifft, kann man sagen, dass wir unsere Hausaufgaben nach 2015 gemacht haben. Dafür, wie wir in der Steiermark diese humanitäre Aufgabe bewältigen, gibt es viel Anerkennung.
Welche Sozialleistungen in Österreich und speziell in der Steiermark sind Ihrer Ansicht nach besonders wichtig?
DK • Am wichtigsten erscheint mir die Sozialunterstützung, weil sie das letzte Sicherungsnetz ist, auch wenn ich die Mindestsicherung deutlich wirksamer gefunden habe. Mit der Wohnunterstützung können wir Wohnen leistbarer machen, das hilft vielen Menschen aus der älteren Generation. Drei von vier Beziehern sind Frauen. Und auch der Heizkostenzuschuss ist ein gutes Instrument. Deshalb haben wir ihn auch von 120 auf 170 Euro erhöht.
Ganz wichtig ist mir der Kampf gegen die Armut.
Man braucht dazu einen langen Atem.
In der Steiermark sind rund 160.000 Menschen armutsgefährdet – trotz vieler Anstrengungen des Sozialressorts. Wie lässt sich dieser Armutssockel reduzieren?
DK • Der Kampf gegen Armut steht ganz oben auf meiner sozialpolitischen Tagesordnung, aber man braucht dazu einen langen Atem. Er ist wie ein großer Tanker, der die Richtung wechseln soll. Das dauert auch. Aber wir können Erfolge verbuchen. Die Zahl der Menschen, die arm sind oder von Armut bedroht sind, geht zurück. Nicht schnell genug, aber es gibt einen Rückgang. Am wirksamsten gegen Armut ist Arbeit mit einem Einkommen, mit dem man auskommt. Daher lautet meine Forderung gerade jetzt in Zeiten der hohen Inflation: Faire Gehälter und ein höherer Mindestlohn!
Kennzeichen eines sicheren Sozialstaats ist u.a. der Rechtsanspruch auf Sozialleistungen für Bürger. Welche Erfolge haben Sie in den letzten sieben Jahren in diesem Bereich verbuchen können?
DK • Wir erweitern das Angebot sozialer Dienstleistungen regelmäßig. Ein Paradebeispiel dafür ist die Behindertenhilfe, in der wir zum Beispiel mit den Schwerpunkten „Inklusives Wohnen“ und „Inklusives Arbeiten“ das Ziel haben, dass Menschen mit Behinderung genau so leben, arbeiten und wohnen können wie Menschen ohne Behinderung. Die Steiermark ist seit Jahren ein Vorbild in der Behindertenhilfe, und sie wird es auch bleiben.
Die Steiermark ist seit Jahren ein Vorbild in der
Behindertenhilfe, und sie wird es auch bleiben.
Das Wohnen ist für viele Menschen in der Steiermark zu einem massiven finanziellen Problem geworden. Wie wirksam ist die Wohnunterstützung des Landes?
DK • Im Februar 2019 haben an die 7.600 Haushalte Wohnunterstützung bezogen, heuer im Februar waren es bereits mehr als 10.000 Haushalte in der Steiermark – ein Plus von über 30 Prozent. Die Anzahl an Pensionisten, die Wohnunterstützung beziehen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Und: Drei von vier sind Frauen, leider ist oft eine geringe Alterspension bei Frauen dafür der Grund. Die Wohnunterstützung ist eine Sozialleistung, die bei jenen ankommt, die sie wirklich brauchen.
Foto: Peter Drechsler