Es sind zwei Herausforderungen der größeren Art: Soziallandesrätin Doris Kampus muss politische Antworten auf die Teuerung finden. Gleichzeitig steuert Kampus als neue Grazer SPÖ-Chefin auf ein ambitioniertes Ziel zu: Sie will die Grazer Sozialdemokraten im Laufe eines Jahrzehnts an die Spitze führen.
GRAZETTA • Frauen und Pensionisten bekommen derzeit die Teuerung am meisten zu spüren. Wie können diese beiden Gruppen – über Einmalzahlungen hinaus – sozial abgesichert werden?
DORIS KAMPUS • Es ist richtig, dass Frauen besonders von der Teuerung betroffen sind. Fast zwei Drittel aller Bezieher der Wohnunterstützung sind Frauen. Und mehr als 60 Prozent aller, die den Heizkostenzuschuss beziehen, sind ebenfalls Frauen. Bei den Pensionistinnen braucht es eine deutlich höhere Mindestpension. Und wir müssen mehr Frauen von Teilzeitjobs in Vollzeitjobs bringen. Sonst schlägt die Teilzeitfalle in der Pension massiv zu.
Laut Sora-Institut kommen derzeit 45 Prozent der Beschäftigten nach eigenen Angaben mit ihrem Ein-kommen kaum oder nicht aus. Was kann die Politik dagegen tun?
DK • Der erste Schritt ist eine faire Bezahlung in allen Branchen, wobei ich hier großes Vertrauen in die Sozialpartnerschaft habe, die dies auch weiterhin umsetzen wird. Ein zweiter Hebel ist die Qualifikation. Wer besser qualifiziert ist, verdient auch besser. Hier tun wir mit unserer Arbeitsförderungsgesellschaft StAF sehr viel und auch mit dem Arbeitsmarktservice gibt es eine Reihe von Fort- und Weiterbildungsangeboten.
Alle Grazer Pflichtschüler werden ein warmes Mittagessen bekommen.
Wohnraum ist – bis in die Mittelschicht hinein – nur mehr schwer leistbar. Wie kann Wohnraum langfristig wieder bezahlbar werden?
DK • Wohnen darf kein Objekt für Spekulanten sein. Mit der Leerstandsabgabe hat das Land Steiermark für die Gemeinden ein wirksames Instrument geschaffen. Die steigenden Zinsen belasten die Kreditnehmer, aber auch den sozialen und genossenschaftlichen Wohnbau. Auch für die Wohnunterstützung des Landes werden gerade weitere Maßnahmen geprüft.
In Graz sollen mit Beginn kommenden Jahres die ersten pflegenden Angehörigen angestellt werden. Vorerst werden es 20 sein. Welche Erwartung knüpfen Sie daran?
DK • Das ist mein politisches Herzensanliegen als SPÖ Graz-Vorsitzende. In 80 Prozent der Fälle übernehmen Angehörige die Pflege. Weit überwiegend sind das Frauen, die alles aufgeben und ohne soziale Absicherung sind. Hier setzt unser Pilotprojekt an, wo wir ab 1. Jänner 2024 die ersten 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer anstellen und sozial absichern werden – mit Einkommen und Sozialversicherung. Wer andere pflegt, darf nicht alleingelassen werden.
In Graz sollen die sogenannten Brennpunktschulen künftig mehr Geld für eine stärkere Unterstützung der Schüler erhalten. Welche Maßnahmen sollen das konkret sein?
DK • Wir haben als SPÖ 1,2 Millionen Euro Sonderbudget für Schulen in Graz erkämpft. Damit werden Schülerinnen und Schüler unterstützt, die sonst zum Beispiel von Schulveranstaltungen ausgeschlossen wären. Und es wird für alle Kinder in Grazer Pflichtschulen ein warmes Mittagessen geben.
Wir müssen mehr Frauen von Teilzeitjobs in Vollzeitjobs bringen.
Welche Akzente möchten Sie als Grazer SPÖ-Chefin mit Ihrer Partei setzen?
DK • Graz braucht die Handschrift der Sozialdemokratie, von der Pflege über die Bildung bis zur Kultur. Ich wünsche mir ein weltoffenes, ein innovatives und ein soziales Graz. Es tut Graz gut, wenn die SPÖ den Takt vorgibt. Wir wollen in zehn Jahren wieder Bürgermeisterpartei sein und die SPÖ in Graz zur Nummer eins machen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wer mich kennt, weiß, dass ich ehrgeizige Ziele hartnäckig verfolge.
Foto: Peter Drechsler