Grazetta

Im HIMMEL der GEIGEN

Der Steirer Edgar Russ ist Geigenbauer in Cremona. Seine mit Diamanten und Edelmetall verzierte Geige verbindet die Schönheit einer Stradivari mit dem wilden Klang einer Guaneri. Sie ist die teuerste der Welt.
Edgar Russ aus Rottenmann baute im  italienischen Cremona die teuerste Geige der Welt.

Wie kommt man nach Cremona, ins Mekka der Geigenbauer? Edgar Russ hatte sich erfolglos an der bayrischen Instrumentenbauschule Mittenwald beworben, bevor er in die lombardische Geigenbauhochburg kam. Cremona, mit seinen 70.000 Einwohnern, ist die Heimatstadt von Antonio Stradivari und der nicht weniger berühmten Familie Guarneri. Auf der „Scuola Internazionale di Liuteria“ erlernte Russ sein Handwerk. Er selbst spielt das Instrument zwar nicht, aber er ist im Geigenklang „drin“, wie er sagt. Nicht wie ein Künstler, sondern wie ein Präzisionshandwerker, ein Klangoptimierer.

Osmium-Plättchen, Edelsteine und Diamanten zieren das Instrument und beeinflussen dessen Klang.

In Cremona fiel ihm die Eingewöhnung anfangs schwer: „Wenn man kein Sprachengenie ist und auch die Kommunikationsmöglichkeiten mit der Familie beschränkt sind, es gab damals noch keine Handys, dann fühlt man sich schon ein wenig wie ein Verlierer“, erinnert sich Russ. „Man wächst hinein, aber anstrengend war es schon.“ Heute zählt Russ zu den führenden Geigenbauern Italiens. Aus seiner Werkstatt stammt die teuerste Geige der Welt, die der Auslandssteirer 2011 im Auftrag des Sultans von Oman, Qabus Bin Said, hergestellt hat. Der Sultan hatte Russ damit beauftragt, eine Geige mit Plättchen des Platinmetalls Osmium, mit Edelsteinen und Diamanten zu besetzen. Ein Auftrag, der für Russ sehr wichtig war. „Der Auftrag hat mich viele schlaflose Nächte gekostet. Aber er hat mich arbeitstechnisch nach vorne gebracht“, betont Russ. „Ich wage mich jetzt viel selbstsicherer an neue Projekte heran.“ Über die Glitzer-Geige sprechen darf Russ nur, weil Sultan Qabus Bin Said inzwischen verstorben ist. Die Verzierungen werden sich auf den Klang des Instruments auswirken, davon ist Russ überzeugt. Für die Geige hat der in Rottenmann geborenen Meister nur das beste Holz verwendet. Der vordere Korpus ist aus italienischer Haselfichte gefertigt. Das rund 25 Jahre alte Holz hat der Instrumentenbauer als ganzen Stamm gekauft und eigenhändig gespalten. Das Bergahorn-Holz für Boden, Zargen und Hals stammt von einem französischen Tonholz-Händler. Griffbrett, Ober- und Untersattel sind aus Ebenholz. „Die Lackierung trage ich in sieben Anstrichen hauchdünn von Hand auf“, erklärt Russ. Das Rezept für die Lackierung hält Russ geheim. Bei diesem Modell wollte Russ die Schönheit und Form einer Stradivari und den urigen, wilden Klang einer Guaneri verbinden. „Die Herstellung dieser besonderen Geige erfordert fünfmal mehr Zeit als jene einer konventionellen Geige“, sagt Russ. „Hätte ich ein paar Millionen übrig, ich würde die Geige selber kaufen.“ Ende März wird man die Geige erstmals in Wien bewundern können. Ein Käufer wird noch gesucht.

Edgar Russ hält
die Zusammensetzung
des Lacks streng geheim.

HARDFACTS & FUNFACTS

EDGAR E. RUSS, GEIGENBAUMEISTER

Geboren: 8. Juli 1966, Rottenmann, Steiermark,  aufgewachsen in Leibnitz
Lieblingsessen Italien:
Torta Fritta mit Gorgonzola, Spalla Cotta  (Prosciutto cotto) und Vino Bianco frizzante
Lieblingsessen Steiermark:
Brettljause mit steirischem Brot und Verhackert  im Buschenschank

Weitere Infos:
www.violincellomaker.com und www.osmium-Art.com

Russ vermisst in der Lombardei die grünen Hügel und Berge der Steiermark, vor allem dann, wenn das Wetter in der winterlichen Po-Ebene feucht und nebelig ist. „Ich vermisse auch den Duft einer Brettljause, das Kernöl und natürlich auch den steirischen Wein“, gibt er zu. Zurück in die Steiermark will der erfolgreiche Instrumentenbauer trotzdem nicht, auch wenn er sich nach einem kleinen Pied-à-terre in der Südsteiermark umschaut. Für den steirischen Wein wirbt er jedenfalls in Italien. Auch wenn das nicht einfach ist: „Man reagiert skeptisch, wenn ich von einem sehr guten, steirischen Tropfen Wein schwärme und dann einen Schraubverschluss öffne“, sagt er. „Davon kann ich hier in der Region kaum jemand überzeugen.“ Wenn er auf seinen Lebensweg zurückblickt, würde er gerne seine Erfahrungen weitergeben. „Wenn Jugendliche wissen, was sie im Leben machen wollen, dann sollte man es ihnen nicht zu schwer machen“, betont. Russ. „Man sollte sie unterstützen. Für viele ist es  in diesem Alter ohnedies schwer, eine Entscheidung darüber zu  treffen, wohin die Reise im Leben gehen soll.“ Edgar Russ betreibt einen eigenen Youtube-Kanal, der 16.000 Abonnenten hat. Dort bekommen Interessierte Einblick in die Arbeit des Instrumentenbaus.  Nähere Informationen unter: www.osmium-Art.com  

Fotos: Michael Königshofer, Cristian Pinieri

N. A. Prutsch

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