Grazetta

Im Wirkungsfeld

Die ehemalige österreichische Volleyballnationalspielerin Monika Matschnig gilt als führende Expertin für Körpersprache und deren Wirkung. Nach über 20 erfolgreichen Jahren in Deutschland bringt die Psychologin ihre Erfolgsfaktoren vom internationalen Businessparkett auch nach Graz. Wie wirkt das?

GRAZETTA  In Ihrem aktuellen Buch „Körpersprache. Macht. Erfolg.“ erklären Sie, wie eine wirkungsvolle Körpersprache gezielt als Karriere-Booster eingesetzt wird. „Wir wirken immer und überall“ ist dabei eine wesentliche Aussage. Ist den Menschen dieses permanente Wirken überhaupt bewusst?
MONIKA MATSCHNIG  Es ist ihnen nicht bewusst. Sollte es aber sein. Vor allem jenen Personen, die beruflich eine höhere Position einnehmen oder die verstärkt in der Öffentlichkeit stehen, wie etwa Politiker. Zusammengefasst also jene, die Macht haben und ausüben, werden mit Argus-Augen beobachtet. Diese Menschen können mit der richtigen Körpersprache viel bewirken, sind aber gleichzeitig Risiken ausgesetzt.

Ihrer Erfahrung nach hat die Wirkungskompetenz die Sachkompetenz überholt. Es gehe nicht darum, „Was“ verkauft wird, sondern um das „Wie“. Diese Aussage stützt sich auch auf eine Studie des deutschen Meinungsforschungsinstituts, wonach es bei der Wirkung einer Rede lediglich zu 19 Prozent auf den Inhalt ankommt. Stimme und Gestik machen 26 Prozent aus, während 55 Prozent auf die Art des Vortragenden und die Persönlichkeit des Redners entfallen. Finden Sie das eigentlich nicht ein wenig beunruhigend?
MM  In diesem Bereich ist in den letzten Jahren eine „Amerikanisierung“ erkennbar. Die Menschen reagieren viel mehr auf Lebendigkeit als früher, die Aufmerksamkeitsspanne wird hingegen immer geringer. Dementsprechend muss der Redner dahingehend agieren, damit der Funke überspringt. Motivation und Dynamik müssen transportiert werden. Meiner Meinung nach wird ein Politiker wie auch der Vorstand eines großen Unternehmens dafür bezahlt, dass die Performance rüberkommt. Und diese Rolle muss authentisch ausgeführt werden.

Ehrlichkeit auf Augenhöhe kann natürlich wehtun. Aber wenn man vorankommen will, muss man den Finger in die Wunde legen. Alles andere ist Stagnation.

Aber Körpersprache, Gestik und Mimik müssen permanent trainiert werden. Und dabei soll Ihrer Meinung nach auch die Authentizität gewährleistet sein. Gleichzeitig zitieren Sie in Ihrem Buch Arthur Schnitzler: „Wir wissen nichts von anderen, nichts von uns. Wir spielen immer , wer es weiß, ist klug.“
MM  Eine Führungskraft muss etwa im Kontext agieren. Dabei ist es in positiven Situationen relativ einfach, spontan und authentisch zu sein. Aber was passiert in einer Krise? Bei radikalen Maßnahmen wie dem Abbau von Mitarbeitern? Da muss die handelnde Person reflektiert und vorsichtig wirken. Denn das Verhalten in der konkreten Situation prägt sich ein, wird übertragen. Vertrauen kann schnell verloren gehen. Aber noch einmal: Je höher die Verantwortung ist, desto umfangreicher auch die Rollenfunktion.

Sie erzählen von einem Beispiel, in dem ein Vortragender bei der Einführung eines Software-Programms alles richtig macht. Am Schluss verschränkt er jedoch seine Arme, was als destruktiv gilt. Wie viel Toleranz gewährt die Körpersprache letztendlich?
MM  Schwächen zu haben, macht auch nahbar. Es muss nicht alles aalglatt ablaufen. Dennoch kann mit der falschen Körpersprache zu einem bestimmten Zeitpunkt viel kaputtgemacht werden. In extremen Situationen muss die Wirkung professionell und kontrolliert sein. Da spielen immer ganz viele Faktoren zusammen. Ich kann aus einer introvertierten keine extrovertierte Person machen. Aber ich kann dafür sorgen, dass sie eine starke Wirkung erzielt.

Das funktioniert dann?
MM  Vorrangig gilt es zu erkennen, was zu diesem Mensch passt, womit er sich wohl-fühlt und seine Stärken zu stärken. Dabei geht es nicht um absolute Perfektion, denn Schwächen sollen ja auch bleiben. Es geht um eine Haltung, und diese zu erlangen, wird geübt, etwa in zweitägigen Seminaren. Körpersprache ist Geist. Was der Mensch denkt, das strahlt er auch aus. Insofern ist die Stärkung des Geistes ganz wichtig. Man muss sich seiner selbst bewusst werden und daraus resultiert wiederum die Selbstsicherheit, die ausstrahlt. Worte und Körpersprache ergeben eine Harmonie. Inhalt und nonverbale Signale stimmen überein und führen zur Kongruenz.

Sie beschäftigen sich seit über 20 Jahren mit Körpersprache und deren Wirkung, wurden mit den begehrtesten Speaker-Awards ausgezeichnet und in diesem September in die Hall of Fame der German Speaker Association aufgenommen. Das deutsche Nachrichtenmagazin „Focus“ führt Sie als „Deutschlands Körpersprache-Expertin Nr. 1“, Sender wie Pro 7, ARD und ZDF vertrauen auf Ihre Beobachtungen und Analysen. Können diese im Privaten oder bei Einladungen überhaupt abgelegt werden?
MM  Über die ganzen Jahre hat sich das Beobachten automatisiert. Dabei versuche ich aber immer, das Schöne im Menschen zu sehen. Aber natürlich merke ich bei meinem Mann oder Freunden, wenn sie nicht meiner Meinung sind, aber das ist vollkommen in Ordnung. Auch wenn
ich beim Gegenüber diverse Anzeichen bemerke, geht es mir um Toleranz. Ich bin ja keine Gedankenleserin, aber ich nehme sehr viele Faktoren wahr. Im Privaten wie auch auf der Bühne bei Vorträgen vor dem Publikum. Dennoch muss man das Private von dem Beruflichen trennen. Halte ich Vorträge und bin als Coach gebucht, geht es um absolute Professionalität. Dafür werde ich ja auch bezahlt.

Meiner Meinung nach wird ein Politiker wie auch der Vorstand eines großen Unternehmens dafür bezahlt, dass die Performance rüberkommt.

Ihre Bücher haben sich mittlerweile über 300.000 Mal verkauft. Offensichtlich wollen die Menschen unbedingt erfolgreich sein. Und Sie scheinen diesen Erfolg sehr gut vermitteln zu können. Ist dies auf die Kombination aus Ihrer Zeit als Leistungssportlerin in der österreichischen Volleyball-Nationalmannschaft und dem abgeschlossenen Studium der Psychologie in Graz zurückzuführen? Immerhin lautet Ihr Credo „Wer gewinnen will, muss innere Haltung und körperlichen Ausdruck in Einklang bringen.“
MM  Im Alter von 13 Jahren war ich schlaksig, dünn und groß. Und wurde für den Volleyballsport entdeckt. Damit lernte ich auch, meinen Körper bewusst und kontrolliert einzusetzen und der Sport gab mir zudem auch viel Stolz. Wer selbst Sport macht, der weiß, dass der erste Eindruck , den der Gegner von dir hat, ganz entscheidend ist. Seit ich denken kann, beschäftigte ich mich mit Menschen und dahingehend war auch das Studium der Psychologie das richtige und naheliegend. Und ich wollte weiter bei den Menschen in die Tiefe gehen. Die klassische Psychotherapie war nie mein Ding, deshalb absolvierte ich mit der Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl ein zusätzliches fünfjähriges Studium. Mit der zukunftsorientierten Lehre von Frankl habe ich auch meinen persönlichen Weg gefunden, um Menschen weiterzubringen.

Und daraus ist die Idee gereift , die Körpersprache und ihre Wirkung zum Beruf zu machen?
MM • Weil es laut Frankl nicht nur Psyche und Physis gibt, sondern auch ein unabhängiges Element, den Geist. Und dieser steht über Körper und Psyche. Was ist mein Problem? Was ist zu tun? Diese Fragen gilt es, mit Blick auf die Zukunft zu beantworten. Ich werde in diesen Bereich in Graz künftig intensiver hineinarbeiten. Meine berufliche Karriere war in den letzten 20 Jahren in Deutschland sehr erfolgreich und München wird als Arbeitsplatz auch Thema bleiben. Trotzdem war für mich immer klar, dass ich nach Österreich zurückkomme.

Meine Arbeit ist wunderbar, aber ich werde künftig nicht mehr 120 Tage im Jahr auf der Bühne stehen, sondern die Vorträge auf maximal 80 reduzieren.

Ihre Unterstützung beginnt bei Bewerbungsgesprächen, Sie bereiten Vorstände und Politiker auf Auft ritte vor, wissen um die Wirkung der Körpersprache in internationalen Hierarchien und gehen dabei sehr ins Detail. Alleine mit dem Händedruck beschäftigen Sie sich in Ihrem Buch über zwei Seiten. Bis wohin reichen die Analysen eigentlich?
MM • Ich habe immer Neues zu lernen. Seit Kurzem beobachte ich die Menschen beim Security Check-in am Flughafen. Aufgrund der Körpersprache erkenne ich zum Beispiel, in welcher Schlange es länger dauert. Der Blick auf die unterschiedlichsten Kulturen und verschiedensten Hierarchien sorgen für ein unerschöpfliches Reservoir an Beobachtungen. In meiner Arbeit geht es mir aber auch darum, mit etwaigen vorgefassten und falschen Mythen aufzuräumen. Da ist noch viel Luft nach oben, ist doch die Körpersprache noch eine recht junge Wissenschaft. Mir geht es auch um das Erkennen von Wut, Sorge, Trauer oder Depressionen.

Bei Männern und Frauen gibt es Unterschiede in der Körpersprache. Wenn Sie dem jeweiligen Geschlecht einen Tipp geben müssten, welcher wäre dies?
MM • Beiden generell den Mut zur Selbstreflexion. Weil die wenigsten Menschen wissen, wie sie wirken. Ein Thema ist zudem, dass aktuell eine Pathologisierung des Mannes zu beobachten ist. Der Mann soll empathisch, mitfühlend, kompromissbereit, aber nicht zu dominant und gleichzeitig stark sein. Also mehr oder weniger die eierlegende Wollmilchsau. Meiner Meinung nach sollte der Mann ein Mann bleiben. Und die Frauen sollten selbstbewusster auft reten, ihre Überzeugungen transportieren und dafür einstehen. Weil in vielen Situationen eine starke Position gefordert ist und die Menschen jenen folgen, die stark wirken.

Die Arbeit ist wunderbar, aber ich werde künftig nicht mehr 120 Tage im Jahr auf der Bühne stehen, sondern die Vorträge auf maximal 80 reduzieren.

Und diese Stärke kann jeder erlangen?
MM • In jeder Sitzung mit Führungskräften irritiere ich diese auch bewusst und gehe mit ihnen auf unwegsame Pfade, auf denen sie neuen Zugängen und einer ungeschönten Selbstwahrnehmung begegnen. Denn in gewissen Führungsebenen fallen ehrliche Rückmeldungen aus dem Umfeld erfahrungsgemäß spärlich aus. Ehrlichkeit auf Augenhöhe kann natürlich wehtun. Aber wenn man vorankommen will, muss man den Finger in die Wunde legen. Alles andere ist Stagnation.

Fotos: Katrin Bernhard

P. Kovacs-Merlini

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