Der Mann war Kabarettist, spielte Shakespeare und Nestroy am Theater, war für den deutschen Filmpreis nominiert und in unzähligen Film- und TV-Produktionen zu sehen. Als Kommissar in den „Steirerkrimis“ erreichte Hary Prinz Kultstatus. Die Spur zum Täter führt ihn dabei immer wieder in bodenständige Wirtshäuser. Wir sind ihm gefolgt.
GRAZETTA • Aktuell stehen Sie gerade einmal nicht für einen „Steirerkrimi“ vor der Kamera. Ist es dennoch der TV-Serie geschuldet, dass Graz zu Ihrem familiären Lebensmittelpunkt wurde?
HARY PRINZ • Ich bin gerade auf dem Sprung nach Berlin. Von dort geht es weiter nach Vorarlberg zu den Dreharbeiten von „Die Toten vom Bodensee“. Der Weg nach Graz war rückblickend ein Weg des Schicksals. Wir haben davor in Berlin gewohnt, meine Frau kommt ja von dort. Während Corona haben wir einen „Steirerkrimi“ in Graz gedreht. Und meine Frau hat gefragt: „Warum leben wir eigentlich nicht hier?“ Daraufhin sind wir hergezogen und wohnen nun am Rande der Stadt. Für die Familie und mich ist es perfekt. Die Grazer sind extrem freundlich und offen. Man kommt leichter ins Gespräch als etwa in Wien. Vielleicht liegt es auch an der südlichen Lage. Angeblich sind die Steirer auch die beliebtesten Österreicher.
Sie sind in Wien geboren, dort liegen auch Ihre schauspielerischen Wurzeln. Neben Ihrer Ausbildung am Franz Schubert Konservatorium haben Sie unter der Regie von Peter Zadek in „Der Kaufmann von Venedig“ am Burgtheater gespielt. Es folgten Engagements am Wiener Volkstheater und am Wiener Schauspielhaus. Außerdem gehörten Sie dort der Theater Gruppe 80 an. Keine Sehnsucht nach den Wiener Bühnen?
HP • Die ersten zehn Jahre als Schauspieler haben sich am Theater abgespielt, das letzte Mal hatte ich 2005 einen Auftritt. Es ist schwierig, Film und Fernsehen mit dem Theater zu kombinieren. Aber vielleicht gibt es eine Rückkehr auf die Bühne. Immerhin liegen meine schauspielerischen Wurzeln im Kabarett.

Beim Interview mit Hary Prinz
im Gösser Bräu Graz gab es auf
der Mittagskarte Steirer-Cordon Bleu gefüllt mit Speck, Käse, Zwiebeln und dazu Petersilienerdäpfel.
Zum „Steirerkrimi“ fehlte einzig die Leiche.
Mit 19 Jahren, während Sie Geschichte, Biologie und Psychologie studiert haben, gründeten Sie die Kabarettgruppe „Achtung Schleudergefahr“.
HP • Das war natürlich komplett amateurhaft, aber dennoch eine gute Schule. Man konnte noch peinlich sein und sich ausprobieren. Wir sind in Einkaufszentren oder Altersheimen aufgetreten und haben Geld mit dem Hut eingesammelt. Das würde heute in dieser Form nicht mehr funktionieren.
Wie gestaltet sich der Weg vom „peinlichen“ Kabarettisten zu einem der bekanntesten Schauspieler Österreichs?
HP • Bei einem Workshop habe ich zufällig einen Schauspieler getroffen, der am Franz Schubert Konservatorium war. Durch die Auftritte mit der Kabarettgruppe hatte ich etwas Geld auf die Seite gelegt, außerdem habe ich noch zu Hause gewohnt. So konnte ich die Ausbildung am Konservatorium finanzieren. Und dann gehört halt immer Glück dazu. Beim Casting für „Der Kaufmann von Venedig“ wurde Regisseur Peter Zadek auf mich aufmerksam. Die Inszenierung war ein Riesenerfolg und ich bekam ein Engagement. Für meine Eltern war es auch beruhigend, weil sie nun immerhin sagen konnten, dass der Bub am Burgtheater ist.
In der Vergangenheit haben Sie auch Familienkomödien gespielt, waren aber vor allem in tragischen Rollen sehr erfolgreich. Für die Rolle des Kurt Raab im Film „Enfant Terrible“ von Oskar Roehler wurden Sie in der Kategorie „bester männlicher Nebendarsteller“ für den deutschen Filmpreis nominiert.
HP • So eine Rolle bekommt man nicht oft. Es war unglaublich und auch extrem anstrengend. Es war ähnlich wie am Theater, weil zum Großteil im Studio gedreht wurde. Oskar Roehler ist ein Regisseur, der den Schauspielern extrem viel abverlangt. In der Rolle des Kurt Raab war von verzweifelt bis wütend alles drinnen. Ich konnte mich richtig austoben.
Nach „Enfant Terrible“ ging es wieder zurück in die Steiermark und an den Bodensee, um als Kommissar Morde aufzuklären. Wie gelingt dieser Rollenwechsel?
HP • Diese Umstellungen und die Band-breite an Rollen ist es, was die Schauspielerei ausmacht. Zwischen den Bodensee- und den Steirerkrimis ist ein großer Unterschied. Wichtig dabei ist der Typ und gar nicht so sehr die Funktion des Polizisten. Der Grazer Chefinspektor Sascha Bergmann ist ein Hedonist, der gerne trinkt und isst. Ein Charakter, von dem seine Polizeikollegin sagt, man müsse ihn „ausgestopft ins Museum stellen“.
Die Autorin der „Steirerkrimis“, Claudia Rossbacher, sagte in einem Interview über Sascha Bergmann: „Würde man ihn zum braven Kuscher machen, wäre die Figur kaputt und die Spannung zwischen den beiden Protagonisten hin.“ Macht der sarkastische und politisch nicht korrekte Humor des Inspektors das Format so erfolgreich?
HP • Der Erfolg hat viel mit den Büchern von Claudia Rossbacher zu tun. Sie ist quasi die Mama der Steirerkrimis. Auch die Drehbücher und Dialoge sind sehr gut geschrieben. Sie sind ein Topf, aus dem eine Geschichte von Leben und Tod geschöpft wird. Eine Erzählung, bei der es immer um die Menschen geht.
Was den Sarkasmus anbelangt,
bin ich vorsichtiger als Sascha Bergmann.
Würde das Format in der Stadt auch funktionieren?
HP • Die Atmosphäre wäre in einer Stadt eine ganz andere. Regisseur Wolfgang Murnberger kommt selbst aus der Provinz und hat ein Gespür für das Umfeld und die Charaktere. So klassische und skurrile Figuren wie einen Lehrer oder Pfarrer findet man in einer Stadt auch nicht. Ich erinnere mich an einen Drehort, da gab es einen Wirt, der hatte ein Ventil im Schuh, damit man ihm „den Schuh aufblasen konnte“, wenn er genervt war. Solche Originale sorgen für eine ganz eigene Stimmung.
Die steirischen Krimis sind auch im deutschen Abendprogramm zu sehen. Hat sich dadurch etwas verändert?
HP • Der Unterschied ist, dass die Folgen für den deutschen Markt nach-synchronisiert werden. Es gibt dann also zwei Versionen. Wenn jeder einzelne Satz nochmals gesprochen werden muss, kann das schon mühsam werden. Ausgezahlt hat es sich aber auf jeden Fall. Als die Folge „Steirerblut“ von der ARD ausgestrahlt wurde, saßen sieben Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm.
Kommt es vor, dass Sie auf der Straße als Chefinspektor Bergmann angesprochen werden? Götz George soll es in seiner Zeit als Tatort-Kommissar Schimanski öfter passiert sein.
HP • Einmal habe ich meine Tochter von der Schule abgeholt, da stand ein Polizist beim Zebrastreifen, der winkte freundlich und rief über die Straße: „Grüß Gott, Herr Chefinspektor.“ Hat mich gefreut. Immerhin ein Zeichen, dass er die Rolle nicht verkehrt findet.

Mit dem Gesichter schneiden verdiene ich heute mein Geld.
Dafür bin ich außerordentlich dankbar.
Automatisiert sich die Rolle nach zehn Jahren Landkrimis aus der Steiermark und 21 Folgen „Die Toten vom Bodensee“?
HP • Dass ich diese zwei Formate spielen darf, sehe ich als Privileg. Ich kann meine Ideen auch in die Dreharbeiten einbringen. Meine Mutter hat erzählt, dass ich als Kind gerne Gesichter geschnitten habe. Mit dem „Gesichter schneiden“ verdiene ich heute mein Geld. Dafür bin ich außerordentlich dankbar. Außer dass ich bei Dreharbeiten in Litauen einmal vom Pferd gefallen bin, ist die Schauspielerei ein ungefährlicher Job. Und man muss für das, was man tut, nicht die Verantwortung übernehmen.
Wie kommt man eigentlich zu den Rollen?
HP • Du wirst von einer Produktion angefragt und danach berät diese über die Schauspieler, die zugesagt haben. Mit Glück bleibt man über und bekommt die Rolle. Da geht es natürlich auch um das Budget und andere Faktoren. Dann geht es darum, auch zeitlich die einzelnen Anfragen und Angebote zu koordinieren. Früher war es noch möglich, zwei Produktionen gleichzeitig zu drehen. Heute ist das eher die Ausnahme. Aber es gibt auch gute Rollen, die nur einen Drehtag in Anspruch nehmen. Es gibt keine kleinen Rollen. Jede Rolle ist gleich wichtig.
Findet am Set ein Austausch mit den Kollegen statt und entstehen daraus Freundschaften?
HP • Die Zusammenarbeit mit dem Team und den Kollegen ist wesentlich. Immerhin verbringt man viel Zeit miteinander. Manchmal entsteht durchaus der Eindruck, dass du als Schauspieler fürs Warten bezahlt wirst. Über die Jahre entstehen natürlich Bindungen und es freut einen, wenn man sich wiedersieht. So wie jetzt, wenn ich in Berlin Kollegen nach langer Zeit wieder treffe. Privat hat die Mehrheit meiner Freunde mit der Schauspielerei nichts zu tun. Das ist auch gut so, weil man dann nicht immer über das Gleiche spricht. Mit Michael Schneider, dem Regisseur von „Die Toten vom Bodensee“, unterhalte ich mich über Filme, Rollen und das Schauspiel. Zu Hause, gemeinsam mit der Familie schauen wir uns verschiedenste Filme und Serien an. Überhaupt ist die Zeit mit der Familie immens wichtig.
Für meine Eltern war es auch beruhigend, weil sie nun immerhin sagen konnten, dass der Bub am Burgtheater ist.
Was passiert, nachdem Sie die Zusage für eine Produktion bekommen und das Drehbuch erhalten haben?
HP • Vor Drehbeginn nehme ich mir zwei bis drei Wochen Zeit, in denen ich in die Geschichte eintauche. Da wird das Buch gelesen und die Rolle angelegt. Da brauche ich auch Raum für mich und es findet eine Art der Transformation statt. Schlüpfe ich in die Rolle des Sascha Bergmann, verwende ich auch ein eigenes Parfum. Einen herben Duft . Für die Rolle des Kurt Raab, ein expressiver Charakter, der sich selbst als bekennenden Katholiken und Homosexuellen bezeichnete und alleine mit Rainer Werner Fassbinder an 31 Filmprojekten zusammengearbeitet hat, benutzte ich stattdessen einen süßlich schweren Duft . Es geht darum, komplett in die Rolle einzutauchen. Jede Rolle riecht anders.
Was steht in nächster Zeit am Programm?
HP • Im Herbst werden zwei neue Folgen vom „Steirerkrimi“ gedreht und zwei werden ausgestrahlt werden. Wie es derzeit aussieht, wird es auch bei „Die Toten vom Bodensee“ weitergehen.
Besteht die Möglichkeit, Hary Prinz wieder als Kabarettisten zu sehen?
HP • Ausschließen will ich es nicht. Aber das ist ein langfristiges Projekt, das ich zusammen mit einem Freund angehen würde. Ich habe mich darüber auch einmal mit Josef Hader unterhalten und er meinte, das könnte ob meines trockenen Humors schon funktionieren. Aber was den Sarkasmus anbelangt, bin ich vorsichtiger als Sascha Bergmann. Wer weiß, ob dieser Humor vor allem bei der jüngeren Generation ankommt. Auf der anderen Seite ist Reibung immer wichtig. Die macht Unterhaltung einfach spannender. Flach ist langweilig.
Fotos: Benjamin Gasser