Grazetta

Therapeuten auf VIER PFOTEN

Hunde unterstützen in Krankenhäusern und Therapieeinrichtungen ihre Halter bei der Arbeit mit Patienten. Welche erstaunlichen Ergebnisse dabei erzielt werden können und wie Hunde vor Überforderung geschützt werden können, erklären Experten im Grazetta-Gespräch.

Brustgeschirr und Halstuch, für Faye und Hermes bedeutet das, dass sie im Dienst sind. Die beiden Französischen Wasserhunde arbeiten im Krankenhaus der Elisabethinen in Graz. Genauer gesagt auf der Palliativstation, der Alterspsychiatrie und im Hospiz gemeinsam mit ihrer Besitzerin, der Psychologin Sonja Kriebernegg-Kargl. Faye und Hermes sind ausgebildete Therapiebegleithunde. Was die beiden Hunde in ihrem Job leisten, ist außergewöhnlich. Auch wenn das schwer in Worte zu fassen ist. „Wenn ich mit Hund zu einem Patienten komme, ist plötzlich alles anders“, sagt die Psychologin. „Der Hund ist eine Art Brückenbauer.“ Die Patienten entspannen sich, sie öffnen sich. „Manchmal ist es schon genug, wenn der Hund dem kranken Menschen seinen Kopf in den Schoß legt,“ erklärt Kriebernegg-Kargl. „Da passieren oft erstaunliche Dinge.“ Wie etwa dann, wenn der blonde Hermes Demenzpatienten besucht, zu denen er eine erstaunlich enge Beziehung hat. „Menschen, die kaum noch ein Kurzzeitgedächtnis haben, wissen plötzlich ganz genau, wie der Hund heißt und wann er sie das nächste Mal besuchen wird.“ Der lebhafte junge Hund versteht es, sein Verhalten an die Bedürfnisse dieser Menschen anzupassen. Er gibt sich ruhig und vorsichtig, so, als würde er wissen, dass alles andere für diese Patienten zu viel sein würde.

Psychologin Sonja Kriebernegg-Kargl mit ihren Hunden Faye und Hermes (v.l.): „Die Hunde bauen eine Brücke zum Patienten.“

Was Therapiebegleithunde den Menschen voraushaben, ist ihre Unvoreingenommenheit. „Wir Menschen reagieren automatisch darauf, wenn jemand sehr schlecht aussieht, dem Hund ist das egal“, betont Kriebernegg-Kargl. „Seine Zuwendung ist bedingungslos.“

Im Krankenhaus der Elisabethinen weiß man die Arbeit von Faye und Hermes zu schätzen. Die Hunde haben aus hygienischen Gründen ihren eigenen Lift und eigene Ruhebereiche. Die Arbeit im Krankenhaus ist für die Hunde nämlich alles andere als ein Spaziergang. „Manche Patienten sind für meine Hunde unglaublich anstrengend“, räumt Kriebernegg-Kargl ein. „Wenn ich sehe, dass Faye oder Hermes nach einem Besuch richtig erschöpft sind, dann sage ich weitere Termine ab.“ Weil Hunde sehr feinfühlig auf die Energie reagieren, die von einem Menschen ausgeht, brauchen sie wie Menschen auch Kraft, um damit fertigzuwerden.

Allgemeinmediziner Dieter Schaufler mit seinem Fellpony Lady: „Eine Vielzahl an Studien belegt, wie groß der Einfluss von Tieren auf Heilungsprozesse ist.“

Therapiebegleithunde und ihre Halter müssen in Österreich eine umfassende Ausbildung absolvieren, bevor sie in therapeutischen Settings – in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder pädagogischen Einrichtungen – zum Einsatz kommen können. Faye und Hermes mussten Trainings in sehr unterschiedlichen Einrichtungen absolvieren. Sie mussten lernen, im Umgang mit Kindern die Ruhe zu bewahren oder Menschen mit Krücken nicht zu verbellen. Sind diese Fähigkeiten erlernt, können sie mit ihrem Halter zur Prüfung antreten.

Dafür zuständig ist in Österreich das Messerli-Institut an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Tierarzt Karl Weissenbacher ist Leiter der Prüfstelle für Assistenz- und Therapiebegleithunde: „Österreich ist weltweit das einzige Land, indem eine Ausbildung und Prüfung von Hund und Halter gesetzlich vorgeschrieben ist“, sagt er. „Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Hund nicht überfordert wird. Karl Weissenbacher und seine Kollegen haben für die Prüfung der Therapiebegleithunde eine eigene Prüfordnung entwickelt. Die bestandene Prüfung ist die Voraussetzung dafür, dass Hund und Halter als Team in therapeutischen Settings arbeiten dürfen. „Wir schauen auf das Sozial- und Umweltverhalten des Hundes. Wir brauchen Hunde, die offen auf Menschen zugehen und gerne mit Menschen arbeiten.“ Weissenbacher und sein Team simulieren Situationen aus der therapeutischen Praxis. Ein Mitglied des Prüfungsteams übernimmt die Rolle des Patienten. „Der Hund ist bei der Prüfung immer abgeleint“, betont der Tierarzt. „Das ist wichtig, weil wir so sehen können, ob der Hund tatsächlich arbeiten will.“ Der Halter darf mit Stimme und Gesten den Hund zwar motivieren, Leckerlis sind aber streng verboten. Bei der Prüfung achten die Experten des Messerli-Instituts sehr genau auf die Signale, die der Hund aussendet. Zieht er die Lefzen hoch, dann ist das ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Hund überfordert ist. Nicht immer würden die Halter diese Signale richtig einschätzen, sagt Weissenbacher.

Nach bestandener Prüfung werden die Hunde in ein Register eingetragen. Weissenbacher und seine Kollegen pro Jahr. Tierschutz spielt in diesen strengen Verfahren eine entscheidende Rolle. Deshalb ist die Arbeitszeit der vierbeinigen Therapeuten auch streng begrenzt: „Zweimal pro Woche, 45 Minuten lang, also höchstens achtmal pro Monat zu arbeiten, das ist für einen Hund ein vernünftiges Arbeitspensum“, betont Weissenbacher. „Dabei geht es auch um den Schutz des Menschen. Nur bei einem ausgeruhten Hund ist die Gefahr, dass etwas passiert, geringer.“

Tierarzt Karl Weissenbacher von der Prüfstelle für Therapiebegleithunde: „Österreich ist das einzige Land, in dem Ausbildung und Prüfung von Hund und Halter gesetzlich vorgeschrieben sind.“

Strenge gesetzliche Vorschriften für den Einsatz von Tieren in therapeutischen Settings gibt es allerdings nur für Hunde. Nicht aber für Katzen, Pferde und Kaninchen. Und das, obwohl Angebote mit Vierbeinern aller Art boomen: Pferde, die Managern Führungsqualitäten beibringen sollen, Wanderungen mit Alpakas zur Stressbekämpfung, für Weissenbacher ist das ein sehr kritischer Graubereich: „Ob Fluchttiere, wie Pferde, tatsächlich für therapeutische Settings geeignet sind, ist die Frage.“

Der Allgemeinmediziner und Psychotherapeut Dieter Schaufler sieht den Einsatz von Tieren weniger kritisch. Er betreibt im niederösterreichischen Rappoltschlag den Mauritiushof, eine Akademie, in der Menschen für die Arbeit mit Tieren ausgebildet werden. „Wir wissen aus einer Vielzahl an Studien, wie groß der Einfluss von Tieren auf Menschen ist“, betont Schaufler. In der Mauritiushof-Akademie bildet er Pädagogen, Sozialarbeiter und Menschen mit Gesundheitsberufen aus, die Tiere in ihre Arbeit integrieren wollen. „Viele Kursteilnehmer haben ihre Arbeit bisher als unbefriedigend erlebt. Wenn man mit Tieren arbeitet, hat man dieses Gefühl nicht.“ Ausgebildet werden am Mauritiushof aber auch Menschen, die tiergestützte Freizeitaktivitäten wie Wanderungen anbieten wollen. „Auch wer gewerblich mit Tieren arbeitet, muss nachweisen, dass er die Haltung seiner Tiere praktisch und theoretisch erlernt hat“, betont Schaufler. „Das wird vom Amtstierarzt überprüft.“ Ist damit der Missbrauch von Tieren ausgeschlossen? Auch Schaufler räumt ein, dass man den nicht ausschließen könne. „Es braucht gut ausgebildete Halter, die einschätzen können, was man einem Tier zumuten kann und was nicht. Neben einer fundierten Ausbildung braucht es vor allem eines: eine wertschätzende Haltung dem Tier gegenüber.“

Fotos: Benjamin Gasser, privat

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