Zum 225-Jahr-Jubiläum geben die Merkur Vorstände Ingo Hofmann (M.), Christian Kladiva (r.) und Markus Spellmeyer Einblicke in die Erfolgsgeschichte der ältesten Versicherung Österreichs: Über vergangene Wendepunkte, aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, Zukunftsoptimismus und warum Vertrauen die wichtigste Währung ist.
GRAZETTA • Mit der Gründung 1798 in Graz zählt die Merkur zur ältesten Versicherung Österreichs und blickt auf eine lange Historie zurück. Wie groß ist die Herausforderung im Jubiläumsjahr, diese Tradition mit Innovation zu einer unternehmerisch erfolgreichen Basis zu verbinden?
INGO HOFMANN • Wer in die Zukunft geht, muss seine Vergangenheit kennen. Und wenn man 225 Jahre als ältester Versicherer hinter sich hat, bringt man einen gewissen Erfahrungsschatz mit. Du weißt, was Kunden und Mitarbeiter im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte mitgemacht haben, was sie bewegt und auch begeistert. Wir haben Kriege überstanden, Wirtschaftskrisen bewältigt und politische Umwälzungen gemeistert. Am Ende geht es um die Werte, an die du glaubst, die du als Unternehmen verkörperst. Es geht um das, was ein Team zusammenhält und zusammenwachsen lässt. Ja, die Zeiten waren schon einmal besser. Die vielen Herausforderungen sind im Alltäglichen angekommen, die Krisen wechseln einander nicht mehr ab, sie kommen und beschäftigen uns gleichzeitig. Aber Angst war und ist nie ein guter Ratgeber. Ich mache mir keine Sorgen, denn Krisen bewältigen wir am Ende nur zusammen auf der gemeinsamen Suche nach der besten Lösung. Die Chancen sind immer größer als die Probleme.
Gibt es Ihrer Meinung nach so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal, welches das Unternehmen über die Jahre und Jahrzehnte begleitet hat?
CHRISTIAN KLADIVA • Die Merkur Versicherung löst in mir, und ich denke auch bei vielen anderen, die im Haus arbeiten, etwas ganz Besonderes aus. Es ist dieser viel zitierte „Merkurianer-Geist“, der große Zusammenhalt und das gemeinsame Bestreben, die gesetzten Ziele zu erreichen; das ist das, was dieses Gefühl ausmacht. Ich selbst stelle mir die Merkur Versicherung immer wie einen Planeten auf einer Umlaufbahn vor und verwende diese Metapher auch gerne in Vorträgen. Die Umlaufbahn der Merkur ist unendlich, auf ihr wurden schon zahlreiche Runden gedreht. Sie steht uns für eine begrenzte Zeitspanne zur Verfügung. Diese Zeit wollen wir nicht bloß absitzen, sondern zukunftsorientiert und nachhaltig gestalten. Es muss unser Ziel sein, uns auf der Umlaufbahn ständig in Bewegung zu halten, wir wollen die Merkur in gutem Zustand und unbeschädigt schließlich an die nächste Generation weitergeben.
Welche Idee führte eigentlich zur Gründung der Versicherung?
MARKUS SPELLMEYER • Man könnte sagen, Joseph Benedict Huber, der Gründervater, hat die Not zur Tugend gemacht. Während sich zu dieser Zeit die Zünfte der Handwerker um Kranke oder in Not geratene Mitlieder kümmerten, waren kaufmännische Angestellte auf die Unterstützung ihrer Dienstgeber angewiesen. Diese reichte aber für die Versorgung der Angestellten und deren Familien im Alter oder bei Krankheitsfällen zumeist nicht aus. Daher entstand die Idee, eine Versicherungseinrichtung für kaufmännisch Bedienstete zu schaffen. Ende 1799, ein Jahr nach der Gründung, zählte der Verein bereits 58 Mitglieder. Ein wichtiger Schritt, denn nach den Berechnungen der Gründer reichten 50 Mitglieder, um das Bestehen zu sichern. Das war der Beginn einer einzigartigen Erfolgsstory.
„Deshalb ist Vertrauen
und Sicherheit unsere
Hauptwährung.“
INGO HOFMANN
Vorstandsvorsitzender Merkur Versicherung
CK • Was diese Stories über die Jahre auszeichnet, sind Pioniergeist und Innovationsmut. Wir waren das erste Start-up in der Versicherungsbranche. Mit einer Vision, die heute noch gültig ist und Menschen begeistert: In Not geratene Angestellte im kaufmännischen Gewerbe zu unterstützen, für die es fast keine Versorgung gab. Das waren kranke, arme und aus Gründen der Gebrechlichkeit oder des Alters dienstunfähig gewordene Bedienstete.
Die Geschichte wiederholt sich. Immerhin ist das Thema rund um die medizinische Vorsorge aktueller denn je.
MS • Wir haben inzwischen, was die Kranken- und Pensionsversicherung betrifft,
ein gutes staatliches Netz. Dieses bietet den Menschen eine gewisse Grundversorgung, wird den heutigen Ansprüchen aber nur schwer gerecht. Ich denke da beispielsweise an den Klasseaufenthalt im Krankenhaus, an den Wahlarzt in der Krankenversicherung oder an eine private Berufsunfähigkeitsversicherung, die dafür sorgt, dass der finanzielle Standard auch im Falle einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit aufrecht-erhalten werden kann. Daher bietet die Merkur ihren Kunden heute ein umfassendes Produktsortiment, um ein gesundes und selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Was uns zur Maxime der Merkur „Der Mensch im Mittelpunkt“ führt. Aber behaupten das letztendlich nicht viele Unternehmen?
IH • Wenn ein Firmenchef sagt: Wir stellen jetzt unsere Kunden in den Mittelpunkt, interessiert das niemanden. Ja, wen denn sonst? Überraschender ist es, wenn ein Unternehmen den Vorsatz auch tatsächlich wahr werden lässt. Das ist in aller Kürze aber die Geschichte der Merkur Versicherung. In die alltägliche Realität übersetzt von einem Team, das an seine Stärken glaubt, neugierig in die Zukunft schaut, mutig ist und die nötige Zuversicht mitbringt. Das ist die Kraft, die aus einer Gemeinschaft erwächst. Gemeinschaften leben von Offenheit, Verständnis füreinander und Begeisterung, die zwischen den Menschen weitergegeben wird. Auch zwischen Mitarbeitern und Kunden. Hier geht es um Vertrauen. Deshalb ist Vertrauen und Sicherheit unsere Hauptwährung. Es geht nicht nur um Wachstum, sondern um die Gesundheit des Unternehmens, und zu der gehören der Spirit unserer Mitarbeiter und die Zufriedenheit unserer Kunden. Das ist der Stoff, aus dem die Merkur Geschichte geschrieben ist.
In der Gesundheitsvorsorge ist die Merkur Versicherung Innovationsführer. Wie kommt man dorthin?
CK • In den vergangenen Jahren hat Gesundheit einen neuen Stellenwert bekommen. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie verletzlich wir als Gesellschaft sind, weil Gesundheit keine Selbstverständlichkeit ist. Gesundheit ist kein Trendthema, sondern das wertvollste Gut, das es zu schützen gilt. Wir müssen auch beginnen, Gesundheit in ihrer Gesamtheit zu denken. Selbstbestimmung beginnt immer bei der Vorsorge und verbindet das Wohlbefinden von Körper, Geist und Seele. Und als Versicherung geht es uns darum, diesen Vorsorgegedanken
zu unterstreichen und die persönliche Gesundheitskompetenz unserer Kunden zu stärken. Wir wollen dabei mithelfen, die gesundheitsbezogene Lebensqualität unserer Kunden zu erhalten und zu verbessern. Das machen wir mit unser Merkur Lifestyle mittlerweile seit mehr als 30 Jahren. Dazu zählen österreichweit knapp 200 Mitarbeiter an unseren Merkur Health-Standorten sowie das hauseigene Merkur Gym in Graz.
„Wir als Versicherung
haben eine große
Verantwortung und
können Vieles in den
Bereichen Nachhaltigkeit
sowie Klima- und
Umweltschutz beitragen.“
MARKUS SPELLMEYER
Vorstand Merkur Versicherung
Für fast alle Branchen spielt das Thema Personal eine große Rolle. Viele Unternehmen klagen über Personal- und Fachkräftemangel. Wie sieht das bei Ihnen aus?
IH • Unternehmen müssen heute Employer of Choice sein, bei den Jüngeren, aber auch bei den Erfahrenen. Es liegt an uns, sie auf die Bühne zu holen. Wir müssen auch mit der jungen Generation reden und vor allem nicht über sie. Wir müssen sie ernst nehmen: ihre Wünsche, Ziele und auch Trends, die sie bewegen. Es braucht Angebote und eine Kultur des Ermöglichens. Dazu müssen wir uns als Unternehmen den Spiegel vorhalten lassen und mit Klischees aufräumen. Die Jungen wollen heute nicht weniger arbeiten. Sie wollen anders arbeiten, einen gewissen Freiraum sowie Flexibilität haben und etwas tun, was sie begeistert.
Kunden erwarten ganzheitliche Produktund Serviceangebote passend zu ihren Lebenswelten. Daher spielen Ökosysteme ja auch in der Versicherungsbranche eine immer wichtigere Rolle.
CK • Zurecht. Es geht um maßgeschneiderte Angebote. Das ist unsere „amazonisierte“ Welt. Kunden denken nicht in Versicherungsprodukten, sie denken an persönliche Bedürfnisse, die sie in ihrer individuellen Situation verspüren. Für uns als Merkur ist es entscheidend, dass wir uns an den Lebenswelten unserer Kunden orientieren, digitale Chancen nutzen und das Service-Erlebnis gewährleisten, über alle Touchpoints hinweg. Ein funktionierendes Ökosystem bedeutet für uns als Merkur aber auch, dass getätigte Investitionen einen Mehrwert und Wertschöpfung für den Merkur Konzern generieren. Die Beteiligung an der Therme Loipersdorf ist ein ganz aktuelles Beispiel, welches unser Ökosystem bedient: Während wir in den letzten Jahrzehnten bei Hotels eingemietet und damit auch von der Preisgestaltung der Hotelbetreiber abhängig waren, sind wir in Loipersdorf nun viel unabhängiger. Wir haben jetzt die Möglichkeit, im eigenen Hotel auch die eigenen Leistungen zur Verfügung zu stellen.
Auch Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind Zukunftsthemen. Wie geht die Merkur mit damit um?
MS • Wir als Versicherung haben eine große Verantwortung und können Vieles in den Bereichen Nachhaltigkeit sowie Klima- und Umweltschutz beitragen. Der neue Merkur Campus wurde etwa nach ökologisch-nachhaltigen Prinzipien errichtet. Wir haben eine Photovoltaikanlage, die uns mit Strom versorgt und ein ausgeklügeltes Heiz- und Kühlsystem. Zum Schutz der Bienen, und um ihnen Lebensraum zur Verfügung zu stellen, haben wir Bienenvölker am Campus angesiedelt. Auch unsere Kooperationen, wie etwa jene mit Frutura im Rahmen des Umwelt- und Gesellschaftsprojekts Bio-BienenApfel, verdeutlichen, dass uns diese Themen am Herzen liegen. Wir reden nicht, wir machen. Wir sind der Ansicht, dass jeder Beitrag zählt, weshalb wir versuchen, auch zahlreiche kleine Schritte zu setzen. Damit uns die intakte Natur nicht nur für die nächsten 225 Jahre, sondern darüber hinaus erhalten bleibt.
„Für uns als Merkur ist
es entscheidend, dass wir
uns an den Lebenswelten
unserer Kunden orientieren,
digitale Chancen nutzen
und das Service-Erlebnis
gewährleisten.“
CHRISTIAN KLADIVA
Vorstansdirektor Merkur Versicherung
Was bedeutet das Jubiläum für Sie persönlich?
MS • Es erfüllt mich mit Stolz und Ehrfurcht zugleich, dass ich Teil dieser 225 Jahre alten Versicherungsgesellschaft sein darf. Wir haben die Verantwortung und die Verpflichtung, diese Geschichte und die damit verbundenen Werte und Kultur zu schützen und in die Zukunft zu tragen.
IH • Es gibt nicht vieles, dass eine Zeitspanne von 225 Jahren überstanden hat. Das zeigt, wie einmalig die heutige Merkur Versicherung ist. Ich bin dankbar und stolz, dass ich mich in diese Geschichte einreihen und ein Kapitel Merkur Geschichte mitschreiben darf. Wir wünschen uns, dass es uns auch künftig gelingt, die visionären Ideen unserer Gründerväter weiterzutragen und für die nachfolgenden Generationen weiterzuentwickeln.
Fotos: Marija Kanizaj
