Grazetta

Funkenflug

Die berufliche Karriere steht bei der Erwachsenenbildung mit ihren breiten und fachspezifischen Angeboten im Vordergrund. Aber Bildung leistet viel mehr. Sie ist von gesellschaftlicher Relevanz, bietet die Möglichkeit zum Mitgestalten und begleitet den sozialen Wandel.

Geht es nach einer berühmten Definition des Theologen Adolf von Harnack ist Bildung, „das, was übrigbleibt, wenn man alles vergessen hat“. Wenn auch die Aussage des deutschen Hochschullehrers und Wissenschaftsorganisators theoretisch ein Portfolio von Zitaten schmücken kann, ist lebenslanges Lernen in der Praxis zum unverzichtbaren Inbegriff geworden, um mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen mithalten zu können. Nachhaltigkeit, Greens Skills und Krisenmanagement sind Themenfelder, die ebenso stark nachgefragt sind wie einschlägige berufliche Weiterbildungsangebote oder das Nachholen von Berufs- und Bildungsabschlüssen. So verzeichnete etwa das WIFI Steiermark im vorigen Jahr mehr als 34.000 Kursteilnehmer, die gesamt rund 1,4 Millionen Stunden dort verbrachten. Fast ein Drittel davon besuchte technische Ausbildungen. Die Auswertung zeigt auch, dass die Teilnehmer mit einem Altersschnitt von 32 Jahren immer jünger werden. Dass dabei 56,7 Prozent der Kurskosten vom Arbeitgeber übernommen wurden, gilt als Zeichen dafür, wie stark heimische Unternehmen den Fokus auf die Fortbildung ihrer Mitarbeiter setzen. Denn diese sind gerade in digitalen wie technischen Bereichen umfangreich gefordert.

Aus- und Weiterbildungen rund um Künstliche Intelligenz im IT-Bereich werden
ebenso stark nachgefragt wie die Bereiche Greenjobs und Elektrotechnik.

So finden sich im WIFI-Kursbuch Intensivkurse für Künstliche Intelligenz in der Wirtschaft ebenso wie „Die Macht von KI und Psychologie im Marketing“ und Inhalte mit Trends im KI gestützten Verkauf und Vertrieb. „Die technologischen Möglichkeiten im Bildungsbereich entwickeln sich derzeit rasant. Bald wird eine Powerpoint-Präsentation so wirken wie jetzt die Overhead-Folie. Darum sind wir besonders auf unsere Innovationsprojekte stolz. Bereits jetzt unterrichten wir auch mit Virtual-Reality-Brillen. Weil das Thema Künstliche Intelligenz alle Branchen betreffen wird, bieten wir hier bereits jetzt eine ganze Reihe an Ausbildungen an“, resümiert Martin Neubauer, Institutsleiter vom WIFI Steiermark. Auch die FH CAMPUS 02 setzt ein Zeichen für Fortschritt und Innovation und unterzieht drei ihrer Studiengänge in der Bewerbungsphase für das neue Studienjahr einem Update. So wird etwa das Bachelorstudium Business Data Science zu Business Analytics & AI, wobei den Studierenden ein umfassendes Wissensspektrum in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Data Science, Informatik und Management vermittelt wird.

„Die technologischen Möglichkeiten im Bildungsbereich entwickeln sich derzeit rasant. Bald wird eine Powerpoint-Präsentation so wirken wie jetzt die Overhead-Folie.“

MARTIN NEUBAUER
Institutsleiter am WIFI Steiermark

Neben dem Masterstudium Management & Controlling vereint das berufsbegleitende Masterstudium Entrepreneurship & Sales Management ebenfalls Vertrieb sowie Unternehmensführung. „Mit den aktualisierten Studieninhalten positionieren wir uns weiter als Vorreiterin in der akademischen Ausbildung. Angehende Studierende können sich auf praxisnahe Ausbildung und eine enge Verzahnung von Theorie und Anwendung freuen. Alle drei Studiengänge sind in dieser Form ab dem Wintersemester 2024/25 belegbar“, infor miert Kristina Edlinger-Ploder, Rektorin der FH CAMPUS 02. Mit der Organisation von berufsbegleitenden Fachhochschul-Studiengängen in Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen führt das Studienzentrum Weiz seit 23 Jahren das Modell der Weiterbildung zum Dipl.-Ing. (FH) und Dipl.-Wirtschaftsingenieur (FH) in Kooperation mit deutschen Hochschulen. So ermöglicht es die Kombination aus Anwesenheit und Fernstudium, neben dem Beruf einen akademischen Abschluss zu erlangen. Absolventen von Höheren Technischen Lehranstalten kann nach individuellem Lehrplanabgleich die Studienzeit dementsprechend verkürzt werden. Durch diese besondere Verknüpfung ist es möglich, das 8-semestrige Studium in vier Semestern zu absolvieren. Laut einem Monitoring der Steirischen Erwachsenenbildung wurden im Jahr 2022 von den Einrichtungen aus der ARGE Steirische Erwachsenenbildung und Netzwerkpartnern im Weiterbildungsnavi Steiermark insgesamt 21.637 Bildungsveranstaltungen durchgeführt, vorallem Kurse (55 Prozent) sowie Kurzveranstaltungen (35 Prozent).

„Angehende Studierende können sich auf praxisnahe Ausbildung und
eine enge Verzahnung von Theorie und Anwendung freuen.“

KRISTINA EDLINGER-PLODER
Rektorin der FH CAMPUS 02

Die meisten Bildungsangebote gab es in den Fachbereichen „Gesundheit, Wellness, Sport“ (3.776), „Technik, Handel, Gewerbe, Tourismus“ (2.632) und „Sprachen“ (2.109). Mit 282.106 Teilnehmern konnte ein Plus von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden. „Aufgrund des stetig steigenden Facharbeitermangels sind 2023 die Ausbildungen – egal ob im technischen oder nicht-technischen Bereich – sehr gefragt gewesen. In allen Fachbereichen haben sich viele für einen Vorbereitungslehrgang für die außerordentliche Lehrabschlussprüfung entschieden, um sich von der Hilfskraft zur Fachkraft schulen zu lassen“, weiß Marketingleiterin Nina Schuh vom bfi Steiermark. Einen ganz großen Boom bescherte dem größten steirischen Erwachsenenbildungsinstitut auch der Gesundheitsbereich, wo der Ansturm auf die Ausbildung als Tagesmutter/-vater sowie in den Bereichen der Kinderbetreuung, Heimpflege und Pflegassistenz oder Ordinationsassistenz enorm war und immer noch anhält. Unter dem Titel „Pflege ist mehr – Grazer Orientierungsmonat für Pflegeberufe“ startete das bfi gemeinsam mit der Stadt Graz einen Orientierungsmonat, bei dem Teilnehmer die Möglichkeit haben, in Pflegeberufe im Raum Graz einzusteigen. Den Bildungstrend in Richtung Nachhaltigkeit und Greenjobs bestätigt auch Schuh: „Darum bieten wir ab sofort die Ausbildung zum Fahrradmechatroniker an, der am Markt derzeit sehr stark gefragt ist. Die Nachfrage nach Greenjobs-Ausbildungen wird weiter bestehen bleiben. Elektrotechnik-Berufe erhalten ebenso neuen Aufwind, ChatGPT sowie KI sind im IT-Bereich große Kernthemen, für die wir in diesem Jahr Lösungen anbieten werden.“ Eine „grüne Ausbildung“ der besonderen Art durchlief auf Maximilian Glatz, der seine professionelle Laufbahn im Weinsektor mit einem Abschluss als Diplom-Sommelier am WIFI-Steiermark als Jahrgangsbester startete.

Die beiden Lehrbeauftragten Alfred Aftenberger (l.) und Maximilian Glatz geben am WIFI Steiermark
ihr fundiertes Wissen an die nächste Generation von Sommeliers weiter.

Für seine herausragenden Leistungen wurde er mit dem „Top Student Award 2020“ ausgezeichnet und teilt mittlerweile sein profundes Wissen als Lehrbeauftragter am WIFI Steiermark mit der nächsten Sommelier-Generation. „Ich war voll motiviert, habe mich in das Thema reingesteigert und wollte diesen Funken weitergeben“, so Glatz, der gemeinsam mit seinen Eltern das gleichnamige Weingut in Bad Waltersdorf leitet, in Kursen vinophile Gastronomen wie auch neugierige Privatiers. „Das WIFI gibt einem alle Werkzeuge mit, um sämtliche Bereiche des Weinbaus abzudecken und bietet ein extrem gutes Fundament für höhere Weiterbildungen“, weiß Glatz aus eigener Erfahrung. Aktuell bereitet er sich nämlich auf den „Master of Wine“ vor. Ein Titel, der in Österreich bis dato nur viermal verliehen wurde. Mit ihrem fundierten Wissen und ihrer Erfahrung werden die Lehrbeauftragten immer wieder von Unternehmen als Vortragende gebucht, um deren Mitarbeiter im Haus weiterzubilden. „Unsere eigene Akademie umfasst an die 100 Seminare, um für unsere Gäste eine maßgeschneiderte Qualität zu garantieren. Aber natürlich greifen wir in gewissen Fachbereichen auf Vortragende von WIFI oder der Österreichischen Hotelvereinigung zurück“, bestätigt Tina Stengle, Director of Marketing der Familux Resorts. Aus den bisherigen Aufzählungen geht hervor, dass der Fokus bei der Erwachsenenbildung auf die berufliche Bildung gelegt ist. Bildung hat aber sehr stark mit gesellschaftlicher Teilhabe zu tun. So legt das Bildungsnetzwerk Steiermark im Zuge des Aktionsplans des lebensbegleitenden Lernens in der Steiermark das Augenmerk auf Demokratie und die Motivation zur Weiterbildung. „Dabei geht es nicht nur darum, das politische System und seine Institutionen zu kennen oder Bescheid zu wissen, welche Grund- und Menschenrechte gelten, sondern auch um das Aufzeigen von Möglichkeiten zum Mitgestalten“, erklärt Kerstin Slamanig, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerk Steiermark.

Mit einem neuen Bewerbungsverfahren setzt die FH CAMPUS 02 auf ein effizienteres Aufnahmeverfahren.
Damit werden die individuellen Stärken und Potenziale der Bewerber noch gezielter beurteilt und gefördert werden.

Der bunte Mix aus verschiedensten Kursen und Einrichtungen, die freiwillig besucht werden, trage zudem zur Stärkung der Gesellschaft und des Einzelnen bei. „Ein Koch- oder Yogakurs hat absolute gesellschaftliche Relevanz, weil neben der Wissenserkenntnis auch soziale Kompetenz erlernt wird. Menschen lernen, mit dem individuellen und sozialen Wandel umzugehen, ihr Leben eigenverantwortlich und gemeinsam mit anderen verantwortungsbewusst zu gestalten“, sieht Slamanig das Bildungsnetzwerk als zwischenmenschliche Drehscheibe. Darum geht es auch Gottfried Reyer von bit social, der gemeinsam mit der Wohnbaugruppe ENW an drei Grazer Standorten „Blendend Deutsch“, einen kostenlosen Sprachförderkurs für Frauen, koordiniert. „Frauen und Mütter spielen eine wesentliche Rolle im Integrationsgeschehen und gelten als Multiplikatorinnen. Durch die Kinder und die Interaktion mit ihnen rund um die Nachhilfe kennen wir jedoch auch das Sprachdefizit ihrer Mütter“, möchte Reyer mit dem Projekt Frauen aus Rumänien, der Türkei oder Tschetschenien die Möglichkeit bieten, in einem innovativen und integrativen Lernsetting die deutsche Sprache zu erlernen. Die Teilnehmerinnen werden in Räumlichkeiten, welche von der ENW zur Verfügung gestellt werden, zum Großteil von pensionierten Lehrern unterrichte. Parallel dazu gibt es virtuelle Lernmöglichkeiten, welche von Online-Tutoren begleitet werden.

Fotos: Wolf, Loske, Frankl, Stefan Leitner, Freepik

P. Kovacs-Merlini

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