Vor knapp einhundert Jahren hat der steirische Kapuzinerpater Severin begonnen, die Heilkraft der Pflanzen für seine Patienten zu nutzen. Von seinem Wissen hat sich der Pharmazeut Dieter Gall inspirieren lassen. Unter dem Markennamen Pater Severin stellt Gall bewährte Hausmittel gegen die kleinen Wehwehchen des Alltags her.
Es sind die alten bewährten Hausmittel, die die Großmütter noch kannten: Den Sirup aus Spitzwegerich-Blättern, wenn einen der Husten plagt. Oder die Ringelblumensalbe, wenn man sich das Knie aufgeschlagen hat. „Pater Severin brachte die medizinische Tradition seiner Zeit mit dem Heilkräuterwissen aus der Volksmedizin zusammen und schuf so ein einzigartiges Lebenswerk“, sagt Dieter Gall. Auf den Pater und seine in fünf Büchern erhaltenen Rezepte stieß Gall, als er 1993 die Stiftsapotheke St. Lambrecht übernahm, in der der Pater seine Patienten versorgte. In dieser alten Apotheke wurden in den 1990er Jahren noch immer Pater Severins Salben, Tropfen und Sirupe hergestellt und angeboten. Gall sah aber auch, wie beliebt diese Zubereitungen bei den Kunden waren und dass das Labor der Apotheke eigentlich zu klein war, um die Nachfrage zu befriedigen.
In Neumarkt im Murtal hat Gall jetzt eine Produktionsstätte errichtet, in der er nicht nur alte, sondern auch neue Zubereitungen aus Pflanzen herstellt. Mit seinen 25 Mitarbeitern macht er aus rund 1.000 Rohstoffen Salben, Tees, Tropfen, Tinkturen, Zäpfchen und Sirupe.
Für den Unternehmer und leidenschaftlichen Apotheker Gall sind die Pater Severin Produkte kein Ersatz für klassische Medikamente, sondern eine natürliche Ergänzung. „Von Extrempositionen, wie der Ablehnung von Medikamenten der Pharmaindustrie, halte ich nichts“, sagt er. „Wir sollten froh sein, dass wir beides haben, hochentwickelte Medikamente und bewährte Hausmittel.“
Gall sieht sich daher auch nicht als Mitbewerber der Pharmaindustrie: „Wir sind ein Nischenspieler, denn die Stückzahlen, die wir herstellen, wären für die Industrie gar nicht interessant. Zudem kann man die Zusammensetzung eines Hustentees auch nicht schützen lassen.“
Mitarbeiterin im Labor
in Neumarkt in der
Steiermark:
Tinkturen aus
wertvollen
pflanzlichen
Inhaltstoffen.
Dass die Hausmittel dennoch geschützt werden sollten, hat 2010 auch die UNESCO erkannt. Apothekeneigene Spezialitäten wurden von der UN-Organisation zum Immateriellen Kulturerbe erklärt.
Pflanzenwissen
In den Pater Severin Produkten steckt nicht nur handwerkliches Können, sondern auch viel Wissen über Pflanzen. Denn es macht eben etwas aus, wann eine Pflanze geerntet, wie sie getrocknet und wie sie gelagert wird. „Nehmen wir die Pfefferminze als Beispiel: Sie hat am Morgen, zu Mittag und am Abend jeweils andere Inhaltsstoffe, wenn man Ernte und Trocknung nicht richtig macht, dann hat man kein hochwertiges Endprodukt.“ Gall verwendet daher ausschließlich zertifizierte Rohstoffe von Großhändlern. Als Heilmittel auf den Markt bringen darf er sie trotzdem nicht, weil ein aufwendiges Zulassungsverfahren viel zu teuer wäre. „Unsere Zubereitungen werden jedoch nach den strengen Richtlinien der guten pharmazeutischen Praxis hergestellt“, betont er.
Mit seinen Pater Severin Produkten will Gall aber auch einen Beitrag zu mehr Achtsamkeit im Umgang mit dem eigenen Körper leisten. „Viele Menschen haben das Gespür dafür verlernt, was dem eigenen Körper guttut und was nicht“, betont Gall. „Eigentlich sagt einem der Körper recht deutlich, wenn er etwas nicht gut verträgt. Aber wir haben uns daran gewöhnt, seine Signale zu ignorieren und stattdessen ein Medikament einzunehmen. Und das ist für mich der falsche Zugang.“
Fotos: Michaela Pfleger