Graz steht vor großen Herausforderungen. Der finanzielle Druck auf das Stadtbudget wird immer größer, neue Investitionen werden immer schwieriger. Zudem wird die Innenstadt in den nächsten drei Jahren zu einer riesigen Baustelle. Wirtschafts- und Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) fordert die Rathauskoalition zum Handeln auf.
GRAZETTA • Wie geht es derzeit der Grazer Innenstadt-Wirtschaft?
GÜNTER RIEGLER • Die Wirtschaft in der Innenstadt funktioniert erfreulicherweise gut. So bedauerlich es ist, wenn einmal ein Traditionsgeschäft zusperrt – es ist ein Trugschluss zu glauben, die Wirtschaft sei marod. Wir haben eine sehr niedrige Leerstandsquote. Auch die Frequenz passt. Die Innenstadt-Wirtschaft hat aber trotzdem Sorgen.
Ich nehme an, damit sprechen Sie die Parkplatz-Diskussion an. Welche Lösung streben Sie an?
GR • Ich bekenne mich dazu, dass wir in der Innenstadt Parkplätze brauchen – diese müssen aber nicht an der Oberfläche sein. Das Konzept der ÖVP: Tiefgaragen, die leistbar und günstig sind. Sonst ist die Innenstadt-Wirtschaft im Nachteil gegenüber den Einkaufszentren an der Peripherie der Stadt.
Was fehlt, ist ein professionelles Baustellenmanagement. Die Unternehmer müssen schon jetzt wissen, was auf sie zukommt.
Die Innenstadt wird demnächst zur Großbaustelle. Mit der zusätzlichen Straßenbahntrasse durch die Neutorgasse und die Belgiergasse wird der Verkehr in der Herrengasse entlastet werden. Ein Teil der Innenstadtgeschäfte wird allerdings durch die Bauarbeiten drei Jahre lang mit Behinderungen leben müssen. Was braucht die Wirtschaft zur Unterstützung in dieser Zeit?
GR • In einzelnen Abschnitten wird es monatelange Verkehrsbehinderungen geben. Was fehlt, ist ein professionelles Baustellenmanagement. Die Unternehmer müssten schon jetzt wissen, was auf sie zukommt, damit sie sich vorbereiten können. Es ist notwendig, dass sie möglichst rasch den Zeitplan und die Detailplanung für die Großbaustelle erhalten – die Zeit drängt, im März 2023 ist bereits Baubeginn.
Im Juni ist das neue Budget der Stadt Graz von der Rathauskoalition beschlossen worden. Die Zahlen haben allerdings nicht lange gehalten, jetzt wird das Budget evaluiert. Was erwarten Sie sich als ehemaliger Finanzstadtrat davon?
GR • Zuerst einmal: Es ist fraglich, ob dieser Haushalt überhaupt rechtskonform ist. Denn die Ausgaben eines Jahres müssen auch im selben Jahr im Budget abgebildet sein. Daran hat sich die Rathauskoalition nicht gehalten. Einige Ausgaben für heuer scheinen erst im nächsten Jahr auf. Darauf habe ich bereits im Sommer hingewiesen. Jetzt prüft der Stadtrechnungshof.
Wir haben in den letzten zehn Jahren 1,6 Milliarden Euro investiert – in sinnvolle und notwendige Infrastruktur.
Der Stadtrechnungshof hat schon in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass angesichts der Finanzsituation der Stadt Graz der Spielraum für Investitionen sehr eng wird. Haben Sie als ehemaliger Finanzstadtrat diesen Budgetpfad – und damit die Finanzsituation – mitverschuldet?
GR • Wir haben von 2012 bis 2021 insgesamt 1,6 Milliarden Euro investiert. Zwei Drittel davon haben wir aus Eigenmitteln bezahlt, 500 Millionen Euro sind durch neue Verschuldung aufgebracht worden. Wir haben Schulen ausgebaut, den Hauptbahnhof erneuert, die Straßenbahnlinie 4 verlängert, weitere Linien nach Reininghaus und in die Smart City auf Schiene gebracht, den Zentralen Speicherkanal gebaut und das Klärwerk Gössendorf modernisiert. Das waren notwendige und sinnvolle Investitionen in die Infrastruktur der Stadt, die wir getätigt haben – da waren keine Prestigeprojekte oder Denkmäler dabei.
Foto: Marija Kanizaj