Grazetta

Elf ist eins

Anfang 2021 erfolgte die Tourismus Strukturreform in der Steiermark. Im Zuge dessen wurden 96 Tourismusverbände sowie neun Regionalverbände zu elf Erlebnisregionen. Die Neuausrichtung wurde von viel Emotion und Bewegung begleitet. Deshalb auch das Gespräch mit Susanne Haubenhofer, Geschäftsführerin Tourismusverband Region Graz und der Geschäftsführerin vom Tourismusverband Südsteiermark, Melanie Koch.

GRAZETTA Im vergangenen Jahr wurde der Tourismus in der Steiermark neu strukturiert. Mit elf Erlebnisregionen soll die touristische Schlagkraft nachhaltig erhöht werden. Damit einher ging Ihre Bestellung in die Geschäftsführung von zwei Regionen, Graz und Südsteiermark. Wie sieht die persönliche Bilanz bis dato aus?
MELANIE KOCH • Der Prozess war von viel Emotion begleitet. Weil der Tourismus und die Branche in den letzten Monaten auch mit extrem schwierigen Verhältnissen konfrontiert war. Da war es natürlich wichtig, diesen Ängsten und der Unsicherheit auf sachlicher Ebene entgegenzuwirken. Es war klar, dass sich die Reform nicht nur mit einem gesamtheitlichen Umdenken, sondern auch mit den alltäglichen Sorgen der betroffenen Unternehmen, Vermieter und in weiterer Folge der Gäste auseinander-setzen muss. Diese Ängste zu entschärfen und alle Beteiligten in ein Boot zu holen, war von Beginn an extrem wichtig. Die Zeit war einfach reif, um eine moderne und leistungsstarke Struktur zu gründen, damit der steirische Tourismus wettbewerbsfähig bleibt. Die Regionen und die einzelnen Büros werden sich zunehmend immer mehr spezialisieren und damit als kompetente Anlaufstelle den Betrieben wie auch dem Gast ein maßgeschneidertes Angebot bieten. Genau das ist auch die Aufgabe an unseren sieben Standorten in der Südsteiermark.
SUSANNE HAUBENHOFER Es gab und gibt nach wie vor viele Rückmeldungen zur Strukturreform. Uns war es wichtig, die Anliegen aller Beteiligten von der ersten Minute an ernst zu nehmen. Denn klar ist auch, dass ohne die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Vereinen vor Ort eine nachhaltige Ausrichtung nicht möglich ist. Wie schon angesprochen, wird die Aufgabenverteilung sicher noch spezifischer werden und ins Detail gehen. Durch Gemeinsamkeit kann mehr Marktdruck erzielt werden. Elf Erlebnisregionen verschmelzen in der Außenwirkung zu einer schlagkräftigen Marke. Wie man schon bei der Zusammenlegung der Gemeinden gesehen hat, funktioniert das aber nicht von heute auf morgen.
MK Im Strukturprozess gab es immer wieder Strategiesitzungen, bei denen alle Anliegen aus der Region auf einen Tisch gekommen sind. Gemeinsam wurde in dieser Zeit in jeder Erlebnisregion ein Leitbild erarbeitet, welches nun als Fahrplan richtungsweisend für die nächsten Jahre dient.

Nach dem Motto „das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen“, steht nicht nur die Größe, sondern auch der Inhalt bei den neuen Regionen im Vordergrund. Wie kann so eine einheitliche Ausrichtung aussehen?
SH Indem man wechselseitig voneinander profitiert und einander auf Augenhöhe begegnet. Die drei Bezirke Graz, Graz-Umgebung und Voitsberg bieten ein unglaublich vielfältiges Angebot im Nächtigungs- aber auch im tagestouristischen Bereich. Im Einzugsgebiet dieser drei Bezirke lebt rund eine halbe Million Menschen.
MK Unsere Aufgabe ist es, die vielseitigen Angebote unter einer Dachmarke zusammenzufassen und Kooperationen zu schließen. Leibnitz und Deutschlandsberg haben großartige gemeinsame Nenner wie den Wein, die Kulinarik sowie die Kultur und die herrliche Landschaft, die sich perfekt miteinander verbinden lassen.

„Das Schöne ist, dass wir zu 100 Prozent hinter dem Produkt stehen. Wir sehen uns gemeinsam als Vertreter für die Regionen und brennen auch für diese.“

SUSANNE HAUBENHOFER
Geschäftsführung
Tourismusverband Region Graz

Mit welchen konkreten Aufgaben ist man in den Tourismusverbänden Graz und der Südsteiermark aktuell betraut?
SH Durch die Zusammenlegungen ist der Austausch untereinander viel einfacher geworden. Jeder bringt seine Schwerpunkte auf einer gemeinsamen Ebene ein und nun gilt es eben, diese Schwerpunkte und Anliegen in die Auslage zu stellen. Genau daran wird aktuell und auch in Zukunft gearbeitet werden. Viele Verantwortliche in diesem Bereich kennen sich seit Jahren in verschiedenen Funktionen und tauschen sich mit dem Land Steiermark aus. Das ist natürlich hilfreich für den Tourismus als Ganzes. Wir denken den Tourismus vor allem aus der Sicht des Gastes und denken als Touristiker nicht in Grenzen.
MK Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit muss es in Verbindung mit Projekten einfach geben. Als Pilotregion erarbeitet die Südsteiermark gerade ein Konzept für Rad- und Mountainbike-Wege mit einheitlichen Beschilderungen, einem Lenkungskonzept sowie einer Qualitätssicherung. Dieses Konzept steht dann den anderen Erlebnisregionen zur Verfügung. Wir können voneinander lernen. Es muss nicht jeder bei null beginnen. Mit einem eigenen Gästetaxi wollen wir zudem die regionale Mobilität stärken. Dieses Weinmobil bringt die Besucher an über 2.500 touristische Haltepunkte in unserem Verbandsgebiet. Der Gast kann öffentlich anreisen und hat ein einfaches und bequemes Transportmittel in der Region. Die Themen werden mit den Stellen des Landes besprochen und von dort auch gerne aufgegriffen. Umgekehrt wird der Verband unterstützt und wir nutzen die umfangreichen Zugänge, die vonseiten des Landes geboten werden.

Die Zeit war einfach reif, um eine moderne und leistungsstarke Struktur zu gründen, damit der steirische Tourismus wettbewerbsfähig bleibt.

MELANIE KOCH
Geschäftsführung Tourismusverband Südsteiermark

Ist durch die Pandemie Ihrer Meinung nach die Steiermark als Urlaubsort noch attraktiver geworden?
MK Viele Steirer haben das Land sicher neu für sich entdeckt und es wird sicher den ein oder anderen unbekannten Fleck gegeben, der für Begeisterung gesorgt hat. Wie wir wissen, hat die Treue der Stammgäste den Betrieben und Regionen sehr geholfen. Die Südsteiermark hatte auch während der Pandemie gute Besucherzahlen. Die Natur und die Landschaft sind unser Kapital in der Steiermark.
SH Die Stadt, die regionalen Spezialitäten sowie die Ausflugsziele wurden auch in den letzten beiden Jahren intensiv beworben. Das hat sich offensichtlich auch ausgezahlt. Man kann schon sagen, dass der Steirer sowie der Österreicher der Grünen Mark gegenüber immer sehr treu war und ist.


„Der Genuss ist
ein ganz
wesentlicher Punkt,
der uns verbindet.
Weil sich Graz
auch als
GenussHauptstadt
einen Namen
gemacht hat.“

An welche Zielgruppen und Märkte  richtet sich das Angebot Ihrer Verbände im Speziellen?
MK Zusammen mit der Österreich-Werbung und Steiermark Tourismus werden die Märkte und Zielgruppen ganz genau analysiert und mit den einzelnen Erlebnisregionen abgestimmt. Der österreichische und deutsche Markt ist für die Südsteiermark seit jeher interessant und Polen sehen wir laut diesen Analysen als Zukunftsmarkt. Gemeinsam mit den anderen Erlebnisregionen und Steiermark Tourismus werden diese Märkte mit unseren Angeboten bearbeitet.
SH Unsere Hauptmärkte sind natürlich Österreich und Deutschland. Dazu kommen noch die Nahmärkte Ungarn, Polen, Tschechien und die Niederlande. Aber auch die Schweiz und Italien sind für die Region Graz ein Thema.

Elf Erlebnisregionen verschmelzen in der Außenwirkung zu einer schlagkräftigen Marke.

SUSANNE HAUBENHOFER
Geschäftsführung Tourismusverband Region Graz

Wo sehen Sie das Erlebnis und den Mehrwert für den Gast in Ihren Regionen?
MK Im Tourismus geht es um Emotion und diese verkaufen wir. Urlaubsbilder sind immer positiv besetzt. Unsere Vision in der Südsteiermark ist Genuss und Kulinarik in Verbindung mit sportlicher oder kultureller Aktivität. Das sind neben unserer herzlichen Gastgeberkultur die wesentlichen Faktoren. Die Freizeitgestaltung und der Genuss bilden dabei eine gute Synergie. Wir wollen die Region in ihrer ganzen Vielfalt bestmöglich präsentieren.
SH Der Genuss ist ein ganz wesentlicher Punkt, der uns verbindet. Weil sich Graz auch als Genuss-Hauptstadt einen Namen gemacht hat. So könnte sich die Lange Tafel durch die ganze Region ziehen und dabei als Element verbinden. Von Graz ins Umland sind bereits 13 Genuss-Radtouren umgesetzt worden, für den Herbst ist ein ähnliches Projekt zum Thema Wandern geplant. Dabei geht es immer um verbindende Themen und niemals um Konkurrenz. Dafür gibt es weiterhin Tourismus-Büros vor Ort und damit auch die Möglichkeit, örtliche Initiativen bei der Organisation und Finanzierung von touristisch bedeutsamen Veranstaltungen und Projekten zu unterstützen.

„In der Kommunikation und persönlichen
Betreuung liegt ja die Kernaufgabe des Touristikers.
Die damit verbundene Herzlichkeit
muss unbedingt erhalten bleiben.“

MELANIE KOCH
Geschäft sführung Tourismusverband Südsteiermark

Die Region Graz lag vor Corona bei rund zwei Millionen Nächtigungen pro Jahr und die Südsteiermark verzeichnet 700.000 Nächtigungen pro Jahr. Gibt es da noch Luft nach oben?
MK • Zweifelsohne sind Zahlen wichtig und wir alle sind darum bemüht, dass Nächtigungen und Aufenthaltsdauer steigen. Aber ganz wichtig ist die Meinung des Vermieters vor Ort. Ein Ohr bei den Vermietern, Gemeinden und Betrieben zu haben, finde ich persönlich entscheidender.

Im Zusammenhang mit der Neuausrichtung wurde auch über eigene Tourismus-Coaches berichtet. Worum geht es dabei?
SH • Im Tourismusverband der Region Graz wurden diese Coaches schon länger installiert. Eine der Kernaufgaben ist etwa die Unterstützung im digitalen Auftritt. Der Tourismuscoach ist die erste Anlaufstelle für die Betriebe und eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Vermieter und dem Tourismusverband.
MK • In der Südsteiermark gibt es vier Damen, welche vor allem Klein- und Mittelbetriebe bei der Vermarktung unter die Arme greifen und dabei als Vertrauens- und Ansprechpartner fungieren. Sie ziehen sozusagen die Qualitätsschraube im Hintergrund an, auch wenn es nur um Kleinigkeiten geht. In der Kommunikation und persönlichen Betreuung liegt ja die Kernaufgabe des Touristikers. Die damit verbundene Herzlichkeit muss unbedingt erhalten bleiben.

„Urlaubsbilder sind ja immer positiv besetzt und genau das ist die Vision der Südsteiermark. Genuss, Kulinarik, Wandern, Kunst und Kultur sind ganz wesentliche Faktoren.“


Welche Ziele haben Sie sich bis Ende des Jahres gesetzt?
SH • Dieses Jahr ist ganz wichtig für die Findung und es gibt für den Herbst und Winter bereits tolle Projekte, die in Vorbereitung sind. Das Schöne ist, dass wir zu 100 Prozent hinter dem Produkt stehen. Wir sehen uns gemeinsam als Vertreter für die Region und brennen auch für diese.
MK • Das Fundament, welches neu geschaffen wurde, zu stabilisieren, ist sicher das große Ziel. Da wollen wir uns auch nicht ausruhen, sondern die Themen auf den Tisch bringen und Schritt für Schritt abarbeiten.

Fotos: Conny Leitgeb, Wolfgang Jauk, pixelmaker

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