Grazetta

Die Segel gesetzt

Seit ihrer Gründung 1971 fördert die Hofgalerie im Steiermarkhof als zentrale Bildungs- und Kultureinrichtung der steirischen Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft nationale und internationale Gegenwartskunst. Als Kurator sowie als Bildungs- und Kulturreferent begleitet Johann Baumgartner diesen Raum voll Kunst seit 18 Jahren. Eine Begegnung zum 50. Jubiläum.

Herbst ist es noch nicht. Dennoch hat die künstlerische Ernte in der Hofgalerie im Steiermarkhof, der Bildungs- und Kultureinrichtung der steirischen Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft begonnen. „Jetzt wird ein Teil meiner Bilder im Hof zu sehen sein, im Hof meines Landes, des Steirischen. Im Baumgartenhof, wo Bilder statt Äpfel hängen“, schreibt der steirische Künstler Gerald Brettschuh im Zuge seiner aktuellen Ausstellung, die noch bis 15. Juli in der Hofgalerie zu sehen ist. Der Maler, Bildhauer, Zeichner und Denker wurde im April 80. Jahre alt. Die Hofgalerie begeht ihren Fünfziger. Mit der aktuellen Ausstellung füllten sich die Wände der Hofgalerie wieder einmal mit Kunst. Wie schon viele Male zuvor. Mit dem Fokus auf die „Steirische Postmoderne“ stehen Realisierung, Förderung und Darstellung immer im Diskurs mit der breiten Öffentlichkeit. Auf eine Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen wird dabei besonders Wert gelegt. Den jährlich über 73.000 Teilnehmern der Bildungsveranstaltungen im Steiermarkhof wird so ein niederschwelliger Zugang zur Kunst geboten. Die Hofgalerie ist ein Ort der Begegnung, an dem Johann Baumgartner als Bildungs- und Kulturreferent sowie als Kurator seit nahezu zwei Jahrzehnten Kunst bewegt. Zum Jubiläum der Hofgalerie gehen wir ein Stück mit.

Im Kosmos der Kunst: Johann Baumgartner vor einem Bild von Gerald Brettschuh in der Hofgalerie. Dort ist die Ausstellung „Kosmos“ des steirischen Künstlers noch bis 15. Juli zu sehen.

GRAZETTA • In unzähligen Ausstellungen und Veranstaltungen wurde die Hofgalerie in der Vergangenheit auch als Ort, wo sich Kunst und Menschen begegnen sollen, bezeichnet. Das war in der letzten Zeit aber nicht möglich. Wie ist man damit umgegangen?
JOHANN BAUMGARTNER • Wir waren in der Hofgalerie durchgehend aktiv. Die Situation rund um die Pandemie hat für uns nicht bedeutet, dass wir das Programm reduzieren. Wir haben die Zeit genutzt, die Segel für den Herbst richtig zu setzen. Der Wind stimmt und uns steht eine lange Strecke im Segeltörn von Kunst und Kultur bevor. Der Lockdown war auch eine Chance, Innovationen zu zeigen. Etwa mit dem ersten virtuellen Rundgang der Ausstellung „Weg-Kreuz“. Wir sehen unser Kunst- und Kulturprogramm als das andere tägliche Brot, dass den Menschen auch in Krisenzeiten zugänglich gemacht wird. Die Grundphilosophie der Hofgalerie ist es ja, einen niederschwelligen Zugang zu Kunst zu bieten. Jeder soll die Möglichkeit dazu haben. Insofern werden wir in Zukunft die Visualisierungen weiter ausbauen. Die Ausstellungen der Vergangenheit wurden während der Pandemie zu 100 Prozent digitalisiert und auch künftig werden wir das digitalisierte Format beibehalten.

Welche Schwerpunkte wurden für das Jubiläumsjahr gesetzt?
JB • Es ist ja ein doppeltes Jubiläum, weil auch der Steiermarkhof seinen Siebziger begeht. Am 14. September starten wir mit einer Eröffnung in die Jubiläumswoche. In diesem Zusammenhang wird auch eine Plastik von Gerhard Almbauer präsentiert. Dabei handelt es sich um einen Stier, was für eine Bildungs- und Kultureinrichtung absolut passend ist. Der Stier steht für Kraft und Ausdauer. Als offenes Haus wollen wir die Menschen mit dieser Kraft stärken, Bildung und Kunst weitergeben. Vom ehemaligen Kulturreferenten Hanns Koren stammt der Satz: „Heimat ist nicht Enge, sondern Tiefe.“ Hofgalerie und Steiermarkhof stehen für diese Weite in Kunst und Kultur und ermöglichen den Zugang kostenlos.

Als Bildungs- und Kulturreferent wie auch als Kurator sind Sie für die Ausstellungen verantwortlich. Nach welchen Kriterien wird entschieden?
JB • Schon seit ihrer Gründung fördert die Hofgalerie Gegenwartskunst von nationalen wie internationalen Künstlern. Der Schwerpunkt wird aber klar auf die „Steirische Moderne“ gelegt. Wir versuchen da einen guten und ausgewogenen Mix zwischen jungen, unbekannten und renommierten Künstlern zu finden. In den letzten Jahren streckte die Hofgalerie ihre Fühler auch zu Künstlern im ganzen Alpe-Adria-Raum wie auch in die Nachbarländer aus. Seit über 35 Jahren gibt es zudem mit der Textilkunst einen internationalen Schwerpunkt, bei dem wir mit Galerien undKünstlern auf der ganzen Welt kooperieren.

„Da sehe ich mich als Begleiter des Künstlers.“ Johann Baumgartner mit den Künstlern Giselbert Hoke, Günter Waldorf sowie Gerhard Almbauer und Shirin Asgari. (von links)


Ist die Kunst für die Hofgalerie ein Geschäft?
JB • Wir verdienen damit nichts, wenn Sie das meinen. Wird ein Bild während der Zeit der Ausstellung verkauft, geht der Erlös zu 100 Prozent an den Künstler. Uns geht es nicht darum, Provisionen zu kassieren, sondern darum, dass jährlich 73.000 Besucher Kunst und Kultur erleben können. Als Haus mit einem klaren Bildungs- und Kulturauftrag sehen wir diese Ausstellungen als Bildungsauftrag. Die Dauer der Ausstellungen liegt zwischen vier und sechs Wochen. Dass sich die steirische Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft mit dem Steiermarkhof und der Hofgalerie in diesem Umfang der Kunst und Kultur verschrieben hat, erachte ich in Österreich als einzigartig.

Über welche Wege sind Sie persönlich zu Kunst und Kultur gekommen?
JB • Der Weg dorthin ging über die Bildung. Schon meine Masterthesis beschäftigte sich damit, welche Auswirkungen Kunst auf die Erwachsenenausbildung hat. Ganz nach dem Motto „art is not decoration, art is communication“ war es mir immer wichtig, Kunst und Menschen als Bindeglied zusammenzuführen. Mit der Kunst kamen auch die Tätigkeitsfelder als Kurator des Universalmuseums Joanneum, im ORF-Publikumsrat für den Bereich Kunst in Wien sowie die Mitgliedschaft im Kulturkuratorium des Landes Steiermark.

Der Künstler erwartet sich ein professionelles Umfeld bis hin zur lückenlosen Dokumentation. Das können wir leisten.

Gibt es da eigene künstlerische Wurzeln?
JB • Seit meiner Jugend war ich von Künstlern umgeben und dieser stete Kontakt hat sicher eine Prägung hinterlassen. Wobei ich mich auch erinnere, dass die Künstler immer anders waren als ich. Es war ihre Kreativität und oft auch die Leichtigkeit und Ungezwungenheit, die mich bereichert und letztendlich auch in eine andere Welt geführt haben. Jedoch meine persönlichen Versuche will ich niemanden zumuten.

Kann jeder Bildende Kunst verstehen?
JB • Ich bin der Meinung, dass Kunstverständnis ganz viel mit Sehen zu tun hat. Von der Konsumation der Kunst kommt dann auch die Schärfe. Das Entdecken ist ganz wichtig. Veranstaltungen, Ausstellungen, Vernissagen zu besuchen und zu sehen ist etwas Wunderbares und Bleibendes. Unter meiner Tätigkeit gab es bis heute über 200 Ausstellungen im Haus und 75 Dokumentationen wurden von mir publiziert.

Wo fängt Ihre Tätigkeit an und wo hört sie auf?
JB • Das ist so nicht zu beantworten, weil es immer um das Gesamte geht. Vereinfacht gesagt, sorge ich für die Begleitung des Künstlers. Man sollte offen auf Künstler zugehen, eine Ausgewogenheit schaffen, die Formate kuratieren und mit Dokumentationen begleiten. Diplomatie und Verlässlichkeit sind wichtige Faktoren. Momentan warten etwa 200 Kunstschaffende auf einen Ausstellungs­termin in der Hofgalerie. Alle Ausstellungen im Haus sind einzigartig, was auch heißt, dass wir keine übernehmen, die schon einmal gezeigt wurde. Ich sehe das auch als Wertschätzung gegenüber dem Künstler, seinem Werk und dem Betrachter.

Begegnungen in der Hofgalerie mit Christian Ludwig Attersee (links) und Günter Brus.


Wie gestalten sich dann in der Praxis die Zusammenarbeit mit dem Künstler und seinem Werk?
JB • Mit der Zeit baut man eine Beziehung auf. Die Zusammenarbeit beruht auf Offenheit und Liberalität. Die aktuelle Ausstellung Gerald Brettschuh erstreckte sich in der Vorbereitung auf über eineinhalb Jahre. Vor allem für junge, unbekannte Künstler ist so eine Ausstellung vergleichbar mit einer Taufe, also ein absolut wichtiger Moment für den Künstler und dessen Werk. Für mich ist es eine Ehre, mit dem Künstler ein Stück seines Weges zusammen gehen zu dürfen. Da sehe ich mich als Begleiter.

Sehen Sie die Steiermark im Verhältnis zu anderen Regionen eigentlich als fruchtbaren Boden für die Kunst?
JB • Da ich viel gesehen habe, kann ich sagen, dass wir in vielen kulturellen Bereichen enorm vorne liegen. In Musik, bildender Kunst und auch in der Literatur gibt es in der Steiermark noch so viel Unbekanntes mit einer großartigen Qualität, was österreichweit noch nicht sichtbar gemacht wurde. Paul Klee meinte, Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar. Christian Ludwig Attersee hat etwa bei seinem 75. Geburtstag in der Hofgalerie viel sichtbar gemacht. Eine solche Personale muss man sich natürlich erarbeiten. Bilder, die bei uns hängen, sieht man auch in der Albertina oder im Künstlerhaus. Der Künstler erwartet sich ein professionelles Umfeld bis hin zur lückenlosen Dokumentation. Das können wir leisten.

Über die Frage der Kunst die Antworten des Lebens finden.

Für jüngere Künstler kann das ja auch ein Sprungbrett sein.
JB • Absolut. Da kann man sich schon einen Namen machen. Vor allem mit den die Ausstellung begleitenden Dokumentationen, die in der Nationalbibliothek wie auch der Landesbibliothek aufliegen.

Gibt es für Sie schon einen Plan für die nächsten 50 Jahre?
JB • Ausgehend von der Warteliste wäre ich bis zur Pensionierung bestens ausgebucht. Fakt ist aber, dass wir ganz exakt planen werden. Das läuft ohne Intervention, aber unter Berücksichtigung gewisser Parameter. Es ist vom Vorteil ein umfassendes Oeuvre zu haben, da sprechen wir von etwa 400 Werken. 120 kommen in die engere Auswahl und 60 sind letztlich in der Ausstellung zu sehn. Gibt es Kataloge? Wo wurde vorher ausgestellt? Unsere Aufgabe ist es auch immer, das gesamte Werk zu betrachten. Da wollen wir auch keine falschen Erwartungen schüren.

„Uns geht es nicht darum, Provisionen zu kassieren, sondern darum, dass jährlich 73.000 Besucher Kunst und Kultur erleben können.“ Johann Baumgartner beim Interview vor einem Bild von Hermann Nitsch.

Gibt es abseits der Ausstellungen noch andere Visionen für die Zukunft?
JB • Auf alle Fälle wollen wir den Literaturbereich forcieren. Es gibt in der Steiermark eine großartige Szene an jungen Literaten, die wir vor den Vorhang holen wollen. Zudem wollen wir einen Schwerpunkt im Jazz setzen und planen eine Kooperation mit dem Konservatorium. Dahingehend ist auch eine Kombination aus Literatur und Jazz angedacht. Gleichzeitig bieten wir der Popularmusik und Volksmusik eine Bühne. Die Trachtenkapelle Graz-Wetzelsdorf probt regelmäßig bei uns und auch der Hackbrett-Wettbewerb ist ein wichtiger Bestandteil. Weil wir eben ein offenes Haus sind. Mit tiefen Wurzeln. 

Fotocredit: Conny Leitgeb, Steiermarkhof/Pachernegg, Kipper

P. Kovacs-Merlini

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