Grazetta

Lernen für das Klima

Weiterbildung ist eine Antwort auf den Fachkräftemangel in Österreich. Allein bei den Green Jobs fehlen mehr als 11.000 Arbeitskräfte. Ohne Fachkräfte aus Drittstaaten wird es trotzdem nicht gehen.

98 Berufe stehen derzeit auf der Liste der Mangelberufe: Vom Spengler, über den Elektrotechniker bis hin zum Hufschmied. 87 Prozent der Unternehmen gaben in einer im Frühjahr 2022 durchgeführten WKO-Umfrage an, vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. Laut einer Schätzung fehlen den WKO-Mitgliedern 272.000 Fachkräfte, und das obwohl die Wirtschaft gar nicht stark wächst. Die WKO spricht von einem „Allzeithoch“, also dem größten Mangel an Fachkräften seit den 1950er Jahren, als zum ersten Mal verlässliche Daten erhoben wurden. Von einer „Zeitenwende“ spricht deshalb der steirische AMS-Geschäftsführer Karl-Heinz Snobe. Er verweist dabei auf das neue Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt: Aus einem Arbeitgebermarkt sei ein Arbeitnehmermarkt geworden. Oder anders gesagt, weil qualifiziertes Personal knapp ist, entscheiden Arbeitnehmer, welchem Unternehmen sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen.

Für Snobe ist Weiterbildung und Qualifizierung ein Hebel, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Das sieht auch die Bundesregierung so, die 17,5 Millionen Euro in eine Qualifizierungsoffensive für Green Jobs zur Verfügung stellt. Im klimarelevanten Bereich fehlten 11.300 Fachkräfte, vor allem in den Bereichen Photovoltaik, Automatisierungstechnik, Elektrotechnik und Mechatronik.

Förderungen
Dass mit Förderungen für Weiterbildung beim Fachkräftemangel eine Trendwende zu erreichen sei, glaubt Martin Neubauer, Institutsleiter beim WIFI Steiermark, nicht. „Mit Förderungen allein kann man das Problem nicht lösen“, sagt er. Dem stimmt auch sein Kollege vom BFI, Thomas Feier, zu. „Wir haben auch jetzt schon eine sehr gute Förderlandschaft, die vieles abdeckt“, sagt der Leiter des BFI-Business Unit Steiermark.

Neubauer und Feier sind sich auch bei den Gründen dafür einig, warum sich Unternehmen so schwertun, ihre Mitarbeiter in Schulungen zu schicken. „Das Unternehmen muss dem Mitarbeiter dafür freigeben“, sagt Neubauer. „Wenn man ohnehin mit Unterbesetzung zu kämpfen hat, dann ist es umso schwerer.“

Thomas Feier, BFI:

„Man wird an vielen
Stellschrauben drehen
müssen.“

Beim WIFI setzt man bei der Weiterbildung deshalb auf einen Weg der kleinen Schritte: „Teilqualifizierungen sind gerade bei den Green Jobs ein guter Weg, um die Energiewende zu schaffen“, betont Neubauer und nennt dafür das Beispiel Montage von Photovoltaik-Anlagen: Um eine PV-Anlage montieren zu können, brauche man keine vollständige Elektrikerausbildung. Eine Teilqualifizierung, also Grundkenntnisse der Elektrik, würden dafür ausreichen. „Mit so einer Zusatzqualifikation könnte auch der Dachdecker die PV-Anlage montieren“, sagt Neubauer. Ein weiterer Vorteil dieser Teilqualifizierungen: Sie dauern nur wenige Monate. „Wenn wir bis 2030 Strom zur Gänze aus nachhaltigen Quellen erzeugen wollen, wie es die Energiewende erfordert, dann brauchen wir schnell qualifiziertes Personal und nicht erst in drei Jahren. So lange dauert nämlich die Ausbildung zum Elektriker.“ Diese Politik der kleinen Schritte, wie sie das WIFI propagiert, hat auch den Vorteil, dass sich Teilqualifikationen in Unternehmen leichter stemmen lassen und neue Geschäftsfelder erschlossen werden könnten.

Qualifikationen im Bereich Green Jobs könnten zudem dem Wunsch vieler jungen Arbeitnehmer entgegenkommen, auch beruflich etwas zum Klimaschutz beitragen zu können. „Weiterbildung tut ja auch ein bisschen weh“, räumt Neubauer ein. „Man muss auf Freizeit verzichten. Man muss also Menschen motivieren, etwas Cooles zu lernen, mit dem man auch einen Beitrag leisten kann.“

Martin Neubauer,
Institutsleiter WIFI
Steiermark:

„Teilqualifizierungen
als Alternative.“

Energietechniker
Einen vergleichbaren Weg, mehr Personal im Bereich Green Jobs auszubilden, geht auch das Studien- und Technologietransfer-Zentrum Weiz. Im Rahmen eines EU-Projekts hat das Zentrum gemeinsam mit Partnern in Ungarn Lehrgänge in den Bereichen neue Energie, Abfall und Nachhaltigkeit entwickelt. „Diese Lehrgänge zum zertifizierten Energietechniker sind niederschwellig und stehen auch Facharbeitern offen“, sagt Geschäftsführer Gerald Friedrich. Sein Institut bietet seit mehr als 20 Jahren berufsbegleitende Studiengänge für HTL-Absolventen an, die mit einem Studienabschluss ihre Aufstiegschancen verbessern wollen. Dafür kooperiert der Weizer Anbieter mit der Hochschule Mittweida in Sachsen. „In der ehemaligen DDR gab es den sogenannten Ingenieur graduiert, der mit unserem HTL-Absolventen vergleichbar ist. Nach der Wiedervereinigung hat die Hochschule ein Programm aufgelegt, mit dem Ingenieure zu Diplomingenieuren weiterqualifiziert werden können. Das ist genau das, was wir für unsere HTL-Absolventen gebraucht haben“, berichtet Friedrich.

GERALD FRIEDRICH
Geschäftsführer Studienzentrum Weiz

„Weiterqualifizierungen
für HTL-Absolventen.“

Der Vorteil: Die Berufserfahrung wird den HTLern angerechnet, Studierende müssen also nicht bei null anfangen. Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, technische Informatik und Elektrotechnik bietet das Studienzentrum an. Seit 2004 gibt es auch Bautechnik-Lehrgänge. Um die 10.000 Euro kostet der Hochschulabschluss, die Kosten sind steuerlich absetzbar.

BFI Smart Education Center Graz Süd

Ein Argument, das beim Thema Fachkräftemangel immer wieder ins Treffen geführt wird, betrifft die in Österreich besonders hohe Teilzeitquote bei Frauen von 50 Prozent. Würden Frauen in den Vollerwerb wechseln, wäre das ein wichtiger Schritt.

Thomas Feier vom BFI ist skeptisch: „Die Frauen haben ja Gründe, warum sie nicht in Vollzeit arbeiten“, sagt er. „Es gibt ja immer noch nicht genug Kinderbetreuungsplätze. Solange sich das nicht ändert, wird man in diesem Bereich keine schnellen Erfolge erzielen.“ Er glaubt, dass es ohne Fachkräft e aus dem Ausland nicht gehen wird. Nicht umsonst habe die Bundesregierung die Voraussetzungen für die Rot-Weiß-Rot-Card, die Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für Drittstaatsangehörige, gelockert und eine Anwerbe-Agentur gegründet.

„Man wird an vielen Stellschrauben drehen müssen, um das Fachkräfte-Problem zu lösen“, ist Feier überzeugt. „Und man wird auch mehr Roboter einsetzen müssen, die einfache bis mittelkomplexe Arbeiten übernehmen können.“  

INFO


BFI BILDUNGSZENTRUM  GRAZ SÜD
Aus- und Weiterbildungen unter  anderem in den Bereichen:

  • Metall- und Schweißtechnik
  • Elektro-, Mess- und  Automatisierungstechnik
  • Sicherheitstechnik
  • KFZ-Technik

Das Smart Education Center
in Graz Süd

  • Robotik
  • Automatisierungstechnik
  • 3D-Druck

WIFI GREEN JOB AUSBILDUNGEN

  • Masterstudium Integrales Gebäude- und Energiemanagement
  • Zertifizierter Photovoltaiktechniker / Photovoltaikplaner
  • Zertifizierter Wärmepumpentechniker / Wärmepumpeninstallateur
  • Europäischer Energiemanager EUREM
  • Zertifizierter
    Energiebeauftragte/r
  • Energieberater nach ARGE EBA

Fotos: BFI, Burgstaller, WIFI

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