Grazetta

Kitt für die Risse

Füreinander einstehen, aufeinander aufpassen, hinhören und Zivilcourage zeigen. Mit rund 1.300 Mitarbeitern  widmen sich die beiden Geschäftsführer von Jugend am Werk Steiermark, Walerich Berger und Walter Ferk, dem  Gemeinwohl. Als Partner auf Zeit antwortet man dabei  auf berufliche, persönliche und soziale Lebensfragen. Und die stellen sich momentan häufig.

GRAZETTA • Das vorige Jahr darf trotz zahlreicher Herausforderungen als durchaus erfolgreiches für Jugend am Werk Steiermark gelten. Als einer der führenden Anbieter sozialer Dienstleistungen wurde man als „Bester Arbeitgeber Österreichs 2021“ sowie „Europe’s Best Workplaces“ ausgezeichnet. Das Land Steiermark kürte das Unternehmen zum „Familienfreundlichsten Betrieb der Steiermark“ und von der Tageszeitung „Kurier“ wurde heuer der Titel „Beliebter Arbeitgeber 2022“ verliehen. Das Betriebsklima scheint also zu passen.

Sind beides Typen,
die sich hinsetzen
und sagen:
„Machen wir was.“

Die Geschäftsführer
von Jugend am Werk Steiermark,
Walerich Berger (l.)
und Walter Ferk

WALERICH BERGER • Diese Auszeichnungen sind das sichtbare Resultat unserer wertschätzenden wie auch wertbeständigen Unternehmenskultur. Uns war es immer wichtig, Rahmenbedingungen im Betrieb zu schaffen, in denen sich die Mitarbeitenden wohlfühlen. Dazu zählen neben einer guten Ausbildung auch eine Infrastruktur, die flexibel gestaltet ist und sich den jeweiligen Herausforderungen anpasst.
Diese Überlegungen und dieses Fundament sind gerade während der Pandemie zur Geltung gekommen. Hinzu kommt, dass bei uns eine schnelle wie auch kompetente Kommunikation untereinander ein ganz wichtiger Punkt ist, den wir mit einer eigenen Feedback-Kultur forcieren. Wir sehen uns als Organisation, die voneinander mit Transparenz und Fairness lernt und zuhört.

WALTER FERK • Die ganze Struktur und die Ausrichtung ist von der Arbeit im Team geprägt. Das innerbetriebliche Klima wird von jedem gepflegt und auch gelebt. Der Anspruch von Jugend am Werk ist stets eine Orientierung an den Menschen. Dahingehend wollen wir eine solide Basis schaffen, um mit aller Kraft für unsere Kunden auch in krisenhaften Zeiten ein verlässlicher Begleiter und Betreuer zu sein.

Jugend am Werk sieht sich nicht nur als zuverlässiger Partner für Förder- und Auftraggeber sowie Auftragnehmer, sondern auch als Kooperationspartner und Wirtschaftsmotor für Unternehmen in den Regionen.

WALERICH BERGER
Geschäftsführer
Jugend am Werk Steiermark

Als solch ein Partner startete Jugend am Werk auch eine große interne Digitalisierungsoffensive. Wie wurde diese von Ihren Kunden angenommen?
WB • Eine gewisse digitale Basis war vorhanden. Insofern konnten wir mit Home-Office und Onlinebetreuung gut anschließen. Letztendlich war es aber wieder den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschuldet, dass wir so kompetent reagieren konnten. Bund und Land haben ebenso ihre Unterstützung geleistet. Die Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und den Kunden aufrecht zu erhalten, hatte dabei immer Priorität. Damit konnten wir auch die Ängste und die Verunsicherung der Beteiligten eindämmen, weil sie wussten, da gibt es jemanden, der sich kümmert und den ich erreichen kann.
WF • Gerade wenn du Menschen bei ihrer Suche nach Ausbildung und Arbeit unterstützt, Kinder, Jugendliche und Familien sowie Menschen mit Behinderungen auf ihrem Weg zu mehr Eigenständigkeit und Selbstbestimmung begleitest, ist eine persönliche und stete Bindung und Begleitung absolut notwendig. Diese Verantwortung übernehmen wir in allen steirischen Bezirken mit über 130 Einrichtungen. Begleitung auf Augenhöhe und mit viel Einfühlungsvermögen und Erfahrung erfordert in einem digitalen Zeitalter eben auch moderne Technik und Kommunikationswege. Dieses Fundament tragen unsere 1.300 Mitarbeiter mit viel Leidenschaft mit.

Die Zahl der Mitarbeiter steigt seit fünf Jahren stetig. Eine Tendenz, die sich auch in Zukunft fortsetzen wird?
WB • Wir sind überzeugt davon, dass der Bedarf weiter steigen wird, weil allein schon die Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, auch immer älter werden. Die Facetten der sozialen Arbeit werden zudem umfangreicher, damit geht auch ein Wachstum der Verantwortung einher.
WF • Die letzten Jahre haben auch gezeigt, dass viele kleinere Vereine und Anbieter an die Grenzen ihrer Ressourcen stoßen und wir vor allem im mobilen Bereich viele Aufgaben übernehmen. Die Branche bräuchte insgesamt mehr Personal. Man darf auch nicht vergessen, dass die Arbeit schwieriger geworden ist. Die Gewalt unter Jugendlichen nimmt zu, das Aggressionspotenzial steigt ebenso wie die Drogenproblematik. Dahingehend ist die Herausforderung für die Mitarbeiter enorm. Viele Kinder und Jugendliche bekommen einen schweren Rucksack vererbt. Wir unterstützen und begleiten sie dabei, dass sie diesen Rucksack selbst gut schultern können.

Viele Kinder und Jugendliche bekommen einen schweren Rucksack vererbt. Wir unterstützen und begleiten sie dabei, dass sie diesen Rucksack selbst gut schultern können.

WALTER FERK
Geschäftsführer
Jugend am Werk Steiermark

Nach dem Motto „Wir sind mehr“ reichen Ihre Leistungen von der Frühförderung über betreute Wohngemeinschaften bis zu Selbsthilfegruppen. Wo hört das „Mehr“ auf?
WF • Wenn wir Bedarf sehen, handeln wir rasch. Um dieses Versprechen umsetzen zu können, bedarf es eines strukturierten Aufbaus über viele Jahre. Und es stimmt, das Spektrum, das wir bieten, ist immens. Die Leistungen werden von uns immer nach den wirklichen Bedürfnissen entwickelt und umgesetzt, wie etwa bei der 4Raum Krisenunterbringung für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren. Erst kürzlich konnten wir über 100 Menschen aus der  Ukraine in Graz unterbringen. Dabei bedienen wir uns der umfassenden Ressourcen im Haus und unterstützen mit Deutschkursen wie mit der Familienberatungsstelle.
WB • Dabei greifen die Qualifikationen der Mitarbeiter ineinander und mit Fachlichkeit wird Vielfalt und Synergien erzeugt, die wir an unsere Kunden weitergeben. Als bei der Flüchtlingskrise 2015 der gesellschaftliche Bedarf an uns gestellt wurde, Angebote bereitzustellen, waren wir zur Stelle. Insofern ist es nicht die Frage, wo das „Mehr“ anfängt und aufhört, sondern wo wir gebraucht werden. 

Wie kann man sich Ihre Zusammenarbeit  in der Geschäftsführung vorstellen?
WF • Jeder von uns hat seine Ressorts und seine Aufgaben. Gemeinsam diskutieren wir über die Projekte und Vorhaben, wägen das Für und Wider ab. Wir sind beide die Typen, die sich  hinsetzen und sagen: „Machen wir was.“
WB • Die Abstimmungen mit den Führungskräften ist ein wöchentlicher Fixtermin, der eingehalten wird. Das ist wichtig für die Entscheidungen und die interne Kommunikation. Zeit in die Führung zu investieren, zahlt sich immer aus und sorgt für Stabilität und Sicherheit.

„Unsere Leistungen, die mittelbar und unmittelbar in die Gesellschaft, Regionen und die Öffentliche Hand zurückfließen, können sichtbar auf den Tisch gelegt werden.“

WALTER FERK, Geschäftsführer Jugend am Werk Steiermark

Sie begleiten auch Projekte für soziale Notlagen, die nicht im Blick einer breiten Öffentlichkeit stehen. Um welche handelt es sich dabei?
WB • Ein Beispiel dafür sind etwa von Wohnungslosigkeit bedrohte oder betroffen Frauen. Sie nehmen oft den Missbrauch in der Partnerschaft in Kauf, damit sie nicht auf der Straße stehen. In diesen Situationen bedarf es viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl und ein genaues Hinsehen. Wir begleiten rund 17.000 Kunden und dabei geht es auch darum, viele kleine Schritte zu gehen. Wie etwa Menschen, die über Jahre von der Mindestsicherung leben, wieder an das AMS heranzuführen. Damit auch die Chance auf ein würdevolles Leben gewahrt bleibt und um wieder am System teilzunehmen. Im nächsten Jahr setzen wir uns das Ziel dahingehend, 100 Menschen zu begleiten und davon ein Drittel wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen.
WF • Die Basis dafür ist, dass wir die Menschen psychisch wieder aufrichten, ihre Substanz erkennen und ihnen beibringen, diese auch zu nutzen. Selbstwert ist dafür ein Schlüssel zum Erfolg. Mit der Aktion Sprungbrett waren wir von der Bundesregierung beauftragt, in der Steiermark über 3.300 Menschen bei einer Jobaufnahme zu unterstützen. Hier bieten wir in allen Bezirken gezielte Angebote und Leistungen zur Wiedereingliederung in die Arbeitswelt an. Die Arbeit am Gemeinwohl ist der nötige Kitt für die Risse, die unsere Gesellschaft durchziehen und gleichzeitig die beste Investition in eine solidarische Gesellschaft.

Erfährt die Arbeit von sozialen  Einrichtungen Ihrer Meinung nach  genug Wertschätzung?
WF • Ich denke, dass Jugend am Werk ein durchaus guter Partner für Stadt, Land und Bund ist. Unsere Leistungen, die mittelbar und unmittelbar in die Gesellschaft, Regionen und die Öffentliche Hand zurückfließen, können sichtbar auf den Tisch gelegt werden.
WB • Fakt ist, dass wir in den letzten zwei Jahren trotz kritischer Infrastruktur unsere Aufgaben gemacht haben.

„Die Facetten der sozialen Arbeit werden zudem umfangreicher, damit geht auch ein Wachstum der Verantwortung einher.“

WALERICH BERGER, Geschäftsführer Jugend am Werk Steiermark

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit privaten Firmen?
WB • Jugend am Werk sieht sich nicht nur als zuverlässiger Partner für Förder- und Auftraggeber sowie Auftragnehmer, sondern auch als Kooperationspartner und Wirtschaftsmotor für Unternehmen in den Regionen. Gerade die momentane Arbeitsmarktsituation wirkt sich für unsere Zielgruppen positiv aus und führt auch zu verstärktem Zuspruch von Job-Coaching-Firmen.
WF • Man merkt, dass die Unternehmen von selbst reagieren und proaktiv auf uns zukommen. Erst vor kurzem konnten wir 24 gehörlose Frauen aus der Ukraine gemein sam an ein Grazer Unternehmen vermitteln. Neben der qualifizierten Arbeitsassistenz, die der Gebärdensprache mächtig ist, haben wir uns auch um die Unterbringung der Frauen gekümmert. Durch unser jahrelanges Netzwerk und unsere Verbindung können wir das. Ohne das Engagement der gesamten Sozialwirtschaft wären bereits einige Bereich der Gesellschaft zusammengebrochen.
WB • Außerdem hat die Lehre wieder an Attraktivität zugenommen, aber auch die Anforderungen an das Handwerk selbst. Im Austausch mit vergleichbaren internationalen Organisationen sehen wir, dass überall Fachkräfte gesucht und gebraucht werden. Dahingehend wollen wir mit einer Vielfalt an Einrichtungen und Angeboten die Antwort geben.

Fotos: Conny Leitgeb

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