Grazetta

„Dann entsteht POWER“

Kürzer, flexibler und vor allem sinnvoller arbeiten zu können, das wünschen sich viele Arbeitnehmer. Wie Unternehmen auf diese neuen Trends eingehen können und was das für das Recruiting bedeutet, erklärt New-Work-Coach Claudia Reithner im Gespräch mit „Grazetta“.

GRAZETTA Glaubt man Umfragen, dann wünschen sich viele Arbeitnehmer mehr Flexibilität im Job. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
CLAUDIA REITHNER • Absolut, vor allem was die jüngeren Bewerber der Generation Z betrifft. Ihnen ist es wichtig, Arbeit und Leben vereinbaren zu können, dass man flexibel arbeiten kann, im Home-Office oder an einem anderen Arbeitsplatz. Ich habe einen Kunden, dessen Mitarbeiterin für ein halbes Jahr nach Spanien gegangen ist. Sie hat von dort aus gearbeitet. Auch das funktioniert. Flexible Modelle machen die Arbeit attraktiver.

New-Work-Coach Claudia Reithner:
„Führungskräfte müssen klare Ziele formulieren.“

Eine Reihe von Unternehmen setzt auf die Vier-Tage-Woche, um attraktiv für Bewerber zu sein.
CR • Die Vier-Tage-Woche ist in aller Munde. Ich habe aber festgestellt, dass viele Mitarbeiter damit gar nicht so glücklich waren, weil vier Arbeitstage länger und intensiver sind. Ich glaube nicht, dass sich die Vier-Tage-Woche auf Dauer halten wird. Es wird eher in Richtung Arbeitszeitverkürzung gehen.

Bedeutet das, dass eine Vier-Tage-Woche nur in Kombination mit einer Arbeitszeitverkürzung funktionieren wird?
CR • Ja. Natürlich muss so ein Modell auch wirtschaftlich sein. Aber es gibt durchaus Unternehmen, die damit gute Erfahrungen gemacht haben. Die Mitarbeiter haben zwar kürzer gearbeitet, dafür aber fokussierter und effizienter.

Für Unternehmen bedeutet eine Vier-Tage-Woche eine enorme Herausforderung, was die Reorganisation der Abläufe betrifft.
CR • Das stimmt schon. Aber ich möchte ein konkretes Beispiel nennen: Ich habe einen Betrieb aus der Sparte Elektrotechnik beraten. Dieses Unternehmen hat mit der Vier-Tage-Woche zwei Schichten eingeführt: Ein Team arbeitet von Montag bis Donnerstag, das andere von Dienstag bis Freitag. Für den Kunden steht man trotzdem an fünf Arbeitstagen zur Verfügung. Weil der Arbeitstag länger ist, können die Kunden auch um 18 Uhr noch einen Elektriker erreichen. Dieses Beispiel zeigt, dass die Vier-Tage-Woche durchaus zu einer Win-win-Situation für alle Beteiligten führen kann.

Gibt es Branchen, in denen die Vier-Tage-Woche leichter umgesetzt werden kann?
CR • Ich denke dabei an das Handwerk. Aber man muss sich genau anschauen, wie stark die körperlichen und geistigen Belastungen in einer Sparte sind. Denn eines ist klar: Wer eine körperlich anstrengende oder gefährliche Arbeit verrichtet, sollte eher nicht länger als acht Stunden am Tag arbeiten. Denn da steigt die Verletzungsgefahr.

Und wie steht es mit der Bildschirmarbeit?
CR • Da hängt es von der Art der Arbeit ab: handelt es sich um konzeptionelle Arbeit oder um eine eher administrative. Egal ob konzeptionelle Arbeit oder administrative, es braucht Abwechslung im Arbeitsalltag und die Möglichkeit, sich einmal zurückziehen zu können oder sich im Team in einem gemütlichen Rahmen informell auszutauschen. Wenn das in der Strukturierung der Arbeit und in der Gestaltung von Büroräumen berücksichtigt wird, ist ein Zehn-Stunden-Tag durchaus denkbar.

„Sinn in der Arbeit zu finden, ist wichtiger als
die Vier-Tage-Woche und das Home-Office.“

Flexibleres Arbeiten bedeutet aber wohl auch, dass es zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern eine Vertrauensbasis geben muss.
CR • Das ist ein wichtiger Punkt, mit dem ich in der Praxis zu tun habe: Wenn Mitarbeiter ins Home-Office wechseln und keine gute Verbindung im Team und zu den Vorgesetzten besteht, dann leidet die Produktivität. Führungskräfte sind aber in jedem Fall gefordert. Das kann auch bedeuten, dass sie ihren Führungsstil ändern und noch klarere Ziele formulieren müssen. Sonst habe ich wenig Möglichkeiten die Arbeitsabläufe und Ergebnisse zu steuern.

Stimmt mein Eindruck, dass Hierarchien in Unternehmen weniger wichtig werden?
CR • Ich glaube, dass wir auf dem Weg zu flacheren Hierarchien sind. Die Verlagerung von Entscheidungen auf die Ebene der Mitarbeiter hat Vorteile, weil Entscheidungen dort getroffen werden, wo man sie braucht. Die Möglichkeit, mitzugestalten und mitzuentwickeln erhöht die Motivation, da Mitarbeiter ihr volles Potenzial einbringen können. Mit mehr Verantwortung entsteht auch eine stärkere Verbindung zwischen Mitarbeitern und dem Unternehmen.

Vor allem Jugendliche wünschen sich eine sinnvolle Arbeit.
CR • Sinn in der Arbeit zu finden, ist wichtiger als die Vier-Tage-Woche und das Home-Office. Wenn ein Unternehmen mit seinem Produkt oder seiner Dienstleistung einen echten Mehrwert für die Gesellschaft , für die Umwelt oder für den Tierschutz erzeugt, steigert das die Motivation der Mitarbeiter, ihre Fähigkeiten dafür einzusetzen.  Dann entsteht wirklich Power, die Arbeit wird erfüllender und zu einer Berufung. Wenn sich persönliche Wertvorstellungen mit denen des Arbeitgebers decken, wie zum Beispiel beim Thema Nachhaltigkeit, dann werden sie ein attraktiver Arbeitgeber für junge Menschen werden.

Inzwischen müssen sich Arbeitgeber bei den Arbeitssuchenden bewerben, heißt es. Ist das wirklich so und wie macht man das am bestem?
CR • Ich habe viele attraktive Arbeitgeber begleitet, die nach außen hin unsichtbar waren. Die Bedeutung des Arbeitgeber-Marketings wird noch sehr oft unterschätzt. Gerade Jüngere schauen sich zuerst die Homepage und die Präsenz auf sozialen Medien an. Sie suchen nach Einblicken, wie es ist, für diese Firma zu arbeiten. Es ist daher sehr wichtig, sich auf Sozialen Medien zu präsentieren. Das dürfen durchaus Handy-Fotos vom Betriebsausflug sein. Denn je weiter man hier ein Fenster öffnet und Einblicke gewährt, umso erfolgreicher läuft das Recruiting.  

Foto: privat

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