Grazetta

Die grüne Wende

Damit der Lebensraum Erde für die Menschheit erhalten bleibt, müssen wir lernen, in Kreisläufen zu denken und zu wirtschaften. Und lernen, vor notwendigen Veränderungen keine Angst zu haben.

Wir müssen lernen, die Grenzen unseres Planeten zu respektieren“, mit diesen einfachen und klaren Worten erklärt Karl Steininger, was nachhaltiges Leben und Wirtschaften bedeutet. Steininger ist stellvertretender Leiter des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. Diese Grenzen zu respektieren, heißt nichts anderes, als nicht mehr zu entnehmen als auf natürlichem Weg wieder nachwächst, nicht mehr schädliche Stoffe freizusetzen als mit technischen Maßnahmen ausgeglichen werden kann.

Sich also als Teil der Natur zu verstehen, der darauf angewiesen ist, dass das Ökosystem erhalten bleibt, der begreift, dass die hemmungslose Plünderung der Erde die eigene Lebensgrundlage untergräbt.

Was diese Eingriffe schon jetzt zur Folge haben, können wir inzwischen an der Temperaturkurve ablesen: Hitzewellen im Frühsommer in Europa, Temperaturen von 50 Grad in Indien und katastrophale Dürren in Ostafrika veranschaulichen, dass sich das Klima geändert hat und dass Teile unseres Planeten lebensfeindlich geworden sind.

Was aber nicht bedeutet, dass man angesichts dieser Entwicklung die Hände verzweifelt in den Schoß legen muss. Im Gegenteil: „Wir müssen neue Wirtschaftsformen ausprobieren, mit denen wir nicht einfach Rohstoffe entnehmen als wäre ihr Vorrat unendlich“, sagt Steininger. „Es geht um ein Denken in Kreisläufen, um Wiederverwertung und sparsamem Umgang.“

Karl Steininger,
Klimaökonom am Grazer Wegener Center:
„Ökologische Transformation  muss sozial gerecht sein.“

Ein Beispiel, wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigen die Unternehmen OMV, Verbund, Borealis und der Zementhersteller Lafarge. Das Projekt „Carbon2ProductAustria“ nutzt das bei der Zementherstellung emittierte CO₂ als Ressource, die von der OMV mithilfe von Wasserstoff zu Kohlenwasserstoffen verarbeitet wird. Den grünen Wasserstoff dafür liefert der Verbund. Die Kohlenwasserstoffe werden von Borealis zur Herstellung hochwertiger Kunststoffe genutzt. Damit haben die Unternehmen eine sektorübergreifende Wertschöpfungskette geschaffen, bis 2030 soll eine Anlage entstehen, die 100 Prozent der Emissionen des Zementwerks im niederösterreichischen Mannersdorf wiederverwertet.

Damit Kooperationen wie diese wirtschaft-lich darstellbar sind, brauche es sogenannte Differenzverträge (Carbon Contracts for Difference, CCfD). Mit diesem Mechanismus können CO₂-Preisschwankungen ausgeglichen werden und neue Technologien wettbewerbsfähig gemacht werden.

Im Kreislauf
Wenn es um das Erreichen der Klimaziele und eine Beschränkung der Erderwärmung auf maximal plus zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter geht, spielt Recycling eine ganz zentrale Rolle. Auch wenn Umweltschützer betonen, dass Vermeidung und Wiederverwendung noch zielführender sind, gerade bei Metall und Kunststoff ist Recycling als nächstbester Ansatz unverzichtbar.

Wir müssen neue  Wirtschaftsformen  ausprobieren. Es geht um ein Denken in Kreisläufen, um  Wiederverwertung und sparsamem Umgang

KARL STEININGER
Stellvertretender Leiter des  Wegener Center für Klima und  Globalen Wandel der Universität Graz

Stichwort Plastik: Das aus Erdöl gewonnene Material ist längst zum Symbol für die Verschmutzung der Umwelt geworden. Plastikpartikel finden sich im Eis der Arktis ebenso wie im menschlichen Organismus. Dabei ist Plastik eigentlich ein wertvoller Rohstoff. Denn im sogenannten Re-Oil-Verfahren kann man aus Plastik wieder petrochemisches Rohöl herstellen. Das reduziert nicht nur die Abhängigkeit von Rohöllieferanten, sondern auch die CO₂-Intensität und hat überdies den gewaltigen Vorteil, dass das Plastik nicht sortenrein sein muss. In den nächsten Jahren wird die OMV eine Anlage errichten, die das Verfahren in industriellem Maßstab einsetzbar macht. Damit wird man ein Fass Rohöl ein paar Mal verwenden können.

Was aber auch bedeutet, dass das Thema Mülltrennung der privaten Haushalte wieder wichtiger wird. Und damit ist es eigentlich gar nicht so gut bestellt: Rund zwei Drittel des Restmülls besteht aus sogenannten „Fehlwürfen“. Die Hälfte davon sind Wertstoffe wie Papier, Glas und Metall. In Europa werden pro Jahr Rohstoffe im Wert von fünf Milliarden Euro weggeworfen, schätzt der Abfallentsorger Saubermacher. Umfragen haben ergeben, dass die Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren ganz besonders faul beim Mülltrennen ist.

Gerechtigkeit
Womit man bei der Frage angelangt ist, was man als Einzelner tun kann, um die grüne Wende voranzubringen. Karl Steininger vom Wegener Center glaubt, dass die Zivilgesellschaft hier eine wichtige Rolle spielt. „Die Fridays-for-Future-Bewegung ist dafür ein gutes Beispiel“, sagt er. „Kinder und Jugendliche haben in vielen Familien eine Änderung des Konsumverhaltens bewirkt.“ Diesen Druck aus der Gesellschaft  und aus der Wirtschaft brauche die Politik, um klimarelevante Maßnahmen durchsetzen zu können. Denn viel zu oft spiele die Angst vor Veränderung und Unsicherheit beharrenden Kräft en in die Hände, sagt der Klimaökonom. „Die Politik ist gefordert, den Menschen diese Angst zu nehmen, indem sie klarstellt, dass sie die sozialen und wirtschaft lichen Folgen dieser Transformation abfedern wird.“ Also dafür sorgt, dass Menschen, die durch die Transformation ihren Job verloren haben, durch Unterstützungen und Umschulungen neue Chancen erhalten.

Rund zwei Drittel des Restmülls besteht aus sogenannten „Fehlwürfen“.
Die Hälfte davon sind Wertstoffe wie Papier, Glas und Metall.

Steininger betont deshalb mit Nachdruck, dass die ökologische Transformation nur dann gelingen kann, wenn sie sozial gerecht ist. Was aber auch bedeute, dass Länder des globalen Südens, die bisher vom Export von Rohstoffen gelebt haben, in Zukunft Ausgleichszahlungen erhalten müssen, damit sie ihre Einkommensquellen diversifizieren können.

Ob Transformation funktionieren kann, wird aber auch davon abhängen, ob ihre Vorteile für die Bürger sichtbar werden. Der öffentliche Raum könnte der Ort sein, indem dies recht schnell gelingen könnte: Wenn der Öffentliche Verkehr so gut ausgebaut ist, dass man im urbanen Raum nicht unbedingt ein Auto braucht, dann könnten auf den Straßen und Plätzen wieder Kinder spielen und Bäume wachsen. Wir werden uns dort wahrscheinlich wohler fühlen.  

Fotos: istock, Furgler/mediendienst

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