Grazetta

„MENSCHEN weinen vor VERZWEIFLUNG“

Was die Teuerung für die Menschen bedeutet und warum die Maßnahmen der Regierung nicht ausreichen, erklärt der steirische AK-Präsident Josef Pesserl im Gespräch mit der Grazetta. Er fordert die Besteuerung der Übergewinne von OMV und Verbund.

GRAZETTA Wie spüren die Mitglieder der Arbeiterkammer die ständig steigenden Preise?JOSEF PESSERL Unsere Experten werden geradezu bestürmt, die Telefondrähte in der Arbeiterkammer laufen heiß. Manche Anrufer beginnen am Telefon vor Verzweiflung zu weinen. Die Summe an dramatischen Preiserhöhungen bei Energie und Lebensmitteln bringt zigtausende Menschen in eine absolute Notlage. Viele wissen nicht mehr, wie sie ihr tägliches Leben finanzieren sollen, wie sie Strom, Heizung, Lebensmittel, Treibstoff für das dringend benötigte Auto bezahlen sollen. Und betroffen sind längst nicht mehr nur Bezieher von Arbeitslosenunterstützung beziehungsweise Mindestsicherung oder Menschen, die in Teilzeit arbeiten. Inzwischen trifft die Teuerungswelle bereits auch Vollzeitbeschäftigte ebenso wie viele Betriebe auf ganz brutale Art und Weise.

AK-Präsident Josef Pesserl:
„Die Teuerung trifft selbst Vollzeitbeschäftigte
voll. Eingriffe in die unkontrollierbar gewordenen
Märkte sind notwendig.“

Die Energiekonzerne schreiben aufgrund der drastisch steigenden Preise Rekordgewinne. Laut der jüngsten Halbjahresbilanzen von OMV und Verbund konnten diese Unternehmen ihre Gewinne im Vergleich zum Vorjahr um jeweils rund 150 Prozent steigern. Wo sehen Sie die Ursachen für die enormen Preiserhöhungen bei Energie?
JP • Gerade diese Gewinnsteigerung um rund 150 Prozent zeigt doch eindrucksvoll, dass die drastischen Preiserhöhungen nicht notwendig waren. Denn damit wurden nicht angebliche Kostensteigerungen, mit denen das jeweilige Unternehmen konfrontiert war, ausgeglichen, sondern hier war – und ist – ganz offensichtlich Profitgier ein wesentliches Motiv für die Preisexplosion. Die Preisbildung im Energiesektor ist völlig entkoppelt von den realen Kosten der Erzeugung. Aus meiner Sicht ist das eine unanständige Abzocke auf Kosten und zu Lasten der Haushalte, der Betriebe, der Pendler und der Vereine. Da wird gerade Massenkaufkraft in unvorstellbarem Ausmaß vernichtet. Solche Entwicklungen gefährden nicht nur Betriebe und Arbeitsplätze, sie bedrohen letztlich auch den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit den sozialen Frieden.

Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie?
JP • Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen, in einer dramatischen Situation. Und außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.  Es ist die Aufgabe der Politik, solchen Entwicklungen – und zwar unmittelbar und rasch – einen Riegel vorzuschieben.  Die Haushalte, die Betriebe, die Pendler, die Vereine – sie alle benötigen dringend eine  Entlastung, und die Preise müssen, wenn es anders nicht möglich ist, auf ein vernünftiges Niveau reguliert werden. Denn die Mechanismen des Marktes funktionieren in dieser Krisensituation nicht und führen zu massiver Umverteilung. Die Politik hat zwar schon einige Maßnahmen angekündigt, diese reichen aber bei weitem nicht aus, um die enormen Belastungen auszugleichen. Die Belastungen, die durch diese drastischen Preissteigerungen bereits entstanden sind, könnten beseitigt werden, indem sowohl die zusätzlichen Steuereinnahmen, als auch die zusätzlichen Gewinne, die durch die exorbitanten Preiserhöhungen entstanden sind, zur Entlastung herangezogen werden. In diesem Zusammenhang sind wirklich ausschließlich  die Zusatzgewinne gemeint, die durch die gewaltigen Preiserhöhungen entstanden sind. Es wäre völlig unverständlich, die dringend notwendigen Entlastungsmaßnahmen ausschließlich aus Steuermitteln – und damit erst wieder von der Allgemeinheit – zu finanzieren, während die Zusatzgewinne unangetastet bleiben.

Beratung durch die
AK: Viele erkundigen
sich jetzt über die
Bedingungen für
einen Zweitjob.

Sind solche Maßnahmen auch umsetzbar?
JP • Dass eine Umsetzung möglich ist, zeigen andere Länder vor, darunter auch  einige EU-Staaten. Selbst die EU-Kommission empfiehlt seit Monaten, Übergewinne abzuschöpfen, um damit Entlastungsmaßnahmen zu finanzieren. All diese Vorschläge sind ja nicht neu. Wenn sie nun, wohl auch aus Rücksicht auf die Krisengewinner, von der Politik als nicht durchführbar abgelehnt werden, dann wäre es jedenfalls sehr zu begrüßen, wenn die Politik andere Maßnahmen ergreift, die zum selben Ergebnis führen: zur Entlastung der Haushalte, der Betriebe, der Pendler, der Vereine.

Und das sollte mit einer Senkung der Preise auf ein vernünftiges Maß geschehen, zumindest zur Abdeckung des Grundbedarfs – ohne die Allgemeinheit damit zu belasten. Die Politik hat die Verantwortung und auch die Möglichkeiten zu gestalten. Im Interesse und zum Wohle aller sollte sie dies auch tun.

Fotos: AK/Graf-Putz, AK/Fürst

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