Grazetta

Neue WEGE

Ab Anfang 2023 gilt: Für das E-Rezept muss die E-Card in der Apotheke vorgewiesen werden. Das schafft neue Herausforderungen, gibt Gerhard Kobinger, Präsident der Apothekerkammer Steiermark, zu bedenken. Und: Dem zunehmenden Versandhandel mit Arzneimitteln will man mit einer neuen Onlineplattform von Apotheken begegnen.

GRAZETTA Wie ist das E-Rezept aus Sicht der Apotheken zu beurteilen?
GERHARD KOBINGER Das E-Rezept ist ein gutes Tool. Es ist ein nächster Schritt in der fortgeschrittenen Digitalisierung des Gesundheitswesens. Damit wir die Rezepte abrufen können, müssen sich ab 1. Jänner 2023 aber noch alle daran gewöhnen, dass sie ihre E-Card in der Apotheke immer mit dabei haben. Es wäre wünschenswert, wenn das System auch für alle Spezialfälle funktionieren würde.

An welchen Stellen hakt es?
GK Wir brauchen Lösungen für den Fall, dass der Vater am Heimweg von der Arbeit die Medikamente für das kranke Kind holen will, aber die E-Card nicht mit dabei hat. Ungeklärt ist auch, wie man ein Pflegeheim versorgt – muss der Pflegeheimbetreiber mit 80 E-Cards in die Apotheke ausrücken oder kann der verschreibende Arzt alles direkt an die das Heim betreuende Apotheke übermitteln? Bei Verordnungen von Infusionen wiederum braucht man Infusionsbesteck. Über das E-Rezept ist das nicht durchgängig machbar. Es gibt mehrere Softwareanbieter für Apotheken und über 100 für Ordinationen. Es dauert, bis alle Sonderfälle implementiert sind.

Digitalisierung und ihre Tücken, Lieferengpässe und ihre Lösungen, Versandhandel und seine heimische Antwort: Gerhard Kobinger, Präsident der Apothekerkammer Steiermark,
über das Engagement der  Apotheker.

Was passiert bis dahin?
GK Wir brauchen Werkzeuge, um die Versorgung sicherzustellen. Eine Apotheken-Notfallskarte wäre eine Möglichkeit – wenn etwa jemand keine E-Card dabei hat und ein Medikament sehr dringlich ist. Im Vorfeld des E-Rezeptes gab es vor rund eineinhalb Jahren zwar Pilotprojekte mit Ordinationen und Apotheken, allerdings wurde dabei nicht die Vielfalt der Sonderfälle abgebildet. Das Papierrezept ist auch nicht gestorben, auf Verlangen des Patienten muss in der Ordination eines mitgegeben werden. Trotz der Anlaufschwierigkeiten und zahlreicher weiterhin bestehender Probleme steht aber eines fest: Kein Patient wird unversorgt bleiben. Wir werden uns redlich bemühen, auch weiterhin alle Menschen in Österreich so wie bisher bestens zu versorgen.

Als Dienstleister ist Beratung ganz grundsätzlich ein essenzieller Aspekt der Tätigkeit?
GK Wir haben als Produzenten angefangen, sind zum Dienstleister geworden und zudem als Logistiker tätig. Dieser Dreiklang ist für die Versorgung essenziell. Corona hat die Lieferketten instabiler gemacht. Wenn beispielsweise im Fernen Osten eine Charge der Produktion verunreinigt ist oder ein Containerterminal blockiert ist, haben wir in Europa ein Problem. Vor der Pandemie hat das ungefähr 100 Produkte betroffen, jetzt sind es 400 und mehr. Gerade bei Lieferengpässen wäre mehr Entscheidungsfreiheit für Apotheken wertvoll, um selbstständig wirkstoffgleiche Präparate wählen zu können. In fast allen EU-Staaten ist das möglich, bei uns nicht. Wir kümmern uns täglich darum, dass Lieferengpässe nicht zu Versorgungsengpässen werden, das ist unser Job.

Worauf kommt es in der täglichen Arbeit noch an?
GK Nur ein richtig angewendetes Arzneimittel wirkt, wie es wirken soll. Eine amerikanische Studie hat zu Tage gefördert, dass fast 27 Prozent der Spitalseinweisungen arzneimittelbezogen waren – als Folge von Neben- und Wechselwirkungen, Falscheinnahmen oder Überdosierung. Die Apotheke ist ein zentraler Punkt in unserem Gesundheitswesen, an dem die gesamte Versorgung zusammenläuft, ein gutes Medikationsmanagemant ist wichtig. Eine grenzenlose Liberalisierung des Versands von rezeptpflichtigen Arzneistoffen wie in Amerika führt zu einer Störung des geordneten Apothekensystems. Unser System ist gut und sicher, wir haben Therapie- und Patientensicherheit, aber auch Fälschungssicherheit. Jede Arzneimittelpackung  ist mit einem QR-Code erfasst und ihr Weg nachvollziehbar. Der Versandhandel nimmt aber auch
in Europa zu, in Deutschland werden bereits 15 Prozent des Umsatzes mit dem Versand rezeptfreier Arzneimittel erwirtschaftet.

„Es wäre wünschenswert,
 wenn das System für das
E-Rezept auch für alle  Spezialfälle funktionieren  würde. Da brauchen wir  Lösungen.“

Was will man dem entgegengehalten?
GK Wir werden bald eine Onlineplattform realisieren, die von Apotheken betrieben wird. Man kann bestellte Ware dann vor Ort abholen, sie zustellen  oder schicken lassen. Die Plattform soll mit Ende des ersten Quartals 2023 starten. Wir rechnen damit, dass sich rund 20 Prozent der Apotheken in Österreich beteiligten.

Was sind derzeit noch dringliche Themen?
GK Corona hat Kollateralschäden im gesamten Impfwesen hinterlassen. Wir sehen es in erhöhten FSME-Zahlen. Früher wurden 60 bis 80 Fälle hospitalisiert, jetzt sind es über 200. Die Durchimpfungsrate von fast 90 Prozent ist auf rund 60 Prozent gesunken. Diphtherie-Tetanus, Polio, Keuchhusten und Masern treten wieder auf. Zur Zeit läuft eine Aktion des Gesundheitsministeriums für einen Impfpass-Check in Apotheken oder Ordinationen. Wir können nur weiter auf Aufklärung und Motivation setzen. Auffrischungen sollten nicht versäumt werden. Das gilt gerade auch für den nachlassenden Impfschutz bei älteren Menschen. Impfen ist eine Erfolgsgeschichte. Impfungen schützen, daran ist nicht zu rütteln.   

Fotos: Oliver Wolf; Werbung

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