Grazetta

„Die POLITIK SPIELT mit UNS“

Fred Ohenhen leitet das Projekt IKU „Interkulturelle Bildungsarbeit in Kindergärten und Schulen“ von ISOP. Im Gespräch mit der Grazetta fordert der in Nigeria geborene Integrationsexperte einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft.
Grazer Integrationsexperte Fred Ohenhen: Zuwanderer zahlen Steuern und sollten wählen dürfen.

GRAZETTA Sie leben seit 1989 in  Österreich. Wie nehmen Sie die gesellschaftliche Debatte über das Verhältnis zu Zuwanderern im Land wahr?
FRED OHENHEN Wenn eine Partei den Bau der „Festung Österreich“ fordert und Zuwanderung immer nur als Bedrohung darstellt, dann fühlt man sich hier nicht wohl. Es ist so einfach, Ressentiments zu schüren. Dass Zuwanderer das Sozialsystem ausnützen würden, dass sie alles vom Staat bekommen würden. Mit der Realität hat das nichts zu tun. Die Politik spielt mit uns. Hinzu kommt, dass Zuwanderer nach ihrem Aussehen beurteilt werden, und nicht nach dem, was sie leisten. Das geht auch meinen beiden Kindern so. Sie sind in Österreich geboren, Deutsch ist ihre Muttersprache und ihre Mutter ist gebürtige Steirerin. Aber weil sie eine etwas dunklere Hautfarbe haben, fragt man sie immer noch, woher sie kommen. Ich habe den Traum, dass man Menschen einmal nicht mehr nach ihrem Aussehen beurteilen wird.

Wie wirkt sich diese ablehnende Haltung auf die Integration von Zuwanderern aus?
FO • Damit man sich integrieren kann, braucht man Kontakte zu Österreichern, braucht man Freunde. Es gibt ja kein Handbuch, das ein Flüchtling oder ein Zuwande rer studieren kann und das ihm Integration erklärt. Wie soll man sich aber integrieren, wenn man immer nur auf Ablehnung stößt? Dabei leisten Zuwanderer viel für die österreichische Wirtschaft. Sie machen jene Jobs, die viele Österreicher nicht mehr machen wollen: im Tourismus, in der Pflege oder am Bau. Und sie zahlen Steuern wie die Österreicher auch.

Tatsächlich ist Österreich aufgrund der Überalterung der Gesellschaft auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Könnte das zu einer anderen Sicht auf das Thema Zuwanderung und Flucht führen?
FO • Wir werben derzeit Fachkräfte in Indonesien, Indien, Ägypten und auf den Philippinen an. Gleichzeitig werden Flüchtlinge, die in Österreich arbeiten oder eine Ausbildung machen, abgeschoben, weil ihr Asylantrag abgelehnt worden ist. Denken Sie nur an die indische Familie in Oberösterreich. Die Mutter arbeitete als Köchin, die Tochter machte eine Pflegeausbildung. Sie mussten das Land verlassen. Das ist doch absurd.

Wenn Zuwanderer das  Wahlrecht bekämen,  würde das zu mehr Zugehörigkeitsgefühl und gesellschaftlicher Teilhabe führen.

Welche gesetzlichen Reformen wären aus Ihrer Sicht notwendig?
FO • Österreich hat das strengste Staatsbürgerschaftsgesetz aller EU-Staaten. Erst wer zehn Jahre in Österreich gelebt hat, hier gearbeitet hat und über ein gewisses Einkommen verfügt, kann einen Antrag stellen. Ich plädiere dafür, diese Frist auf fünf Jahre zu verkürzen und Doppelstaatsbürgerschaften zuzulassen. Kinder von Zuwanderern, die in Österreich geboren worden sind, sollten automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten. Diese Kinder haben in den meisten Fällen überhaupt keine Beziehung zum Herkunftsland der Eltern.

Was würden höhere Einbürgerungsraten für den Zusammenhalt in der Gesellschaft bringen?
FO • Wenn Zuwanderer das Wahlrecht bekämen, würde das zu mehr Zugehörigkeitsgefühl und gesellschaftlicher Teilhabe führen. Es würde bedeuten, dass sie über ihre eigene Zukunft mitentscheiden können. Dass sie nicht nur Steuern zahlen, sondern auch mitbestimmen können, was mit ihrem Steuergeld passiert und wer sie politisch vertritt. 

Foto: Mias Photoart

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