Alle fragen sich, wie die Energiewende aussehen könnte. Dabei haben Martin Graf und Werner Ressi, die Vorstände der Energie Steiermark, ein klares Bild davon. Signale von einem Unternehmen, das als einer der größten Impulsgeber für Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Süden Österreichs gilt.

Martin Graf (l.) und Werner Ressi stehen einem der größten Energie- und Infrastrukturunternehmen Österreichs vor. Gemeinsam mit über 2.000 Mitarbeitern richten sie den Fokus auf den Ausbau der Netze und damit auf die Grundlage zur Energiewende.
GRAZETTA • Die Energie Steiermark hat 2024 mit rund 300 Millionen Euro die größte Investition in der Unternehmensgeschichte mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit getätigt. Um welche Themen geht es dabei konkret?
WERNER RESSI • Dieses Investitionsvolumen beinhaltet vor allem zwei große Themen: Zum einen wird die Energie Steiermark damit den Netzausbau forcieren, zum anderen geht es um den Ausbau der Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie mit Fokus auf Windkraft und Photovoltaik. Mittlerweile liegen wir dabei bereits bei Investitionen von knapp einer halben Milliarde Euro. Wir gehen mit diesen Summen sehr bewusst um und reflektieren permanent. Daher geht es auch nicht gleich weiter wie bisher, sondern die Projekte und Prozesse werden mit einem 360-Grad-Blick ganz genau analysiert.
MARTIN GRAF • Man muss sich diesen Prozess als Mosaikstein in einem großen Bild vorstellen. Immerhin wird die Energie Steiermark in den nächsten zehn Jahren insgesamt 5,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Nur zum Vergleich: In den letzten Jahren waren es im Schnitt etwa 150 Millionen Euro jährlich. Aber die Energiewende kostet, sie ist alternativlos. Sie wird sukzessiv ob der geplanten und bereits erfolgten Projekte sichtbar. Damit werden wir unabhängiger von Preisentwicklungen, die von außen einwirken, und von fossiler Energie. Die Wende in der Energiebeschaffung ist für uns eine Frage des Standards. Gleichzeitig gehen damit auch Maßnahmen einher, die die Konjunktur stimulieren und deren strategische Ausrichtung letztendlich Arbeitsplätze schaffen.
Der Cashflow aus dem Vorjahr unterstreicht laut Bilanz die positive Entwicklung. Diese wird auch durch das erneute Top-Rating „A“ bestätigt, das von Standard & Poor’s ausgestellt wurde. Zudem übernimmt die Energie Steiermark den ersten Platz im Nachhaltigkeitsranking der europäischen Energieversorgungsunternehmen. Was macht man im Vergleich zu den anderen so viel besser?
MG • Indem wir frühzeitig die richtigen Akzente gesetzt haben. In gemeinsamen Gesprächen und Planungen, zum Beispiel mit der Industrie, haben wir erkannt, was unsere Kunden brauchen. Da geht es um finanzielle Stabilität, um eine langfristige Ausrichtung und um die Nähe zum Verbraucher. Und man muss die Bedürfnisse nicht nur erkennen, sondern sie auch ganzheitlich und wirtschaftlich umsetzen. Das haben wir gemacht.
WR • Diese Umsetzung wurde in der Energie Steiermark stets von Konsequenz und Vorbildwirkung begleitet. Sämtliche Führungskräfte und Mitarbeiter sind umfassend zum Thema Nachhaltigkeit geschult. Das ist keine Floskel oder ein Mascherl, sondern unsere DNA. Wir leben unsere Mission glaubwürdig, und das ist im Unternehmen spürbar und bei den Kunden. Authentizität ist in diesem Geschäft ein wesentlicher Faktor.

„Man muss die Bedürfnisse nicht nur erkennen, sondern sie ganzheitlich und wirtschaftlich umsetzen. Das haben wir gemacht.“
MARTIN GRAF
Biomasse-Heizwerk, E-Ladestationen, Photovoltaik-Parks und Glasfaser-Netze. Die Energie Steiermark scheint in den Gemeinden omnipräsent zu sein. Wird dieses Volumen zur Gänze von den über 2.000 Mitarbeitern gestemmt?
WR • Für diese Präsenz ist eine klare Strategie ebenso entscheidend wie der permanente Austausch mit den Gemeinden und Partnern. Und wir fragen nach. Wo gibt es welches Bedürfnis? Wann können wir die Prozesse einleiten? Als Energie Steiermark treten wir mit den Beteiligten frühzeitig und proaktiv in Kontakt. Information und Transparenz sind die Grundpfeiler für erfolgreiche Projekte.
MG • Hinzu kommt, dass wir in der ganzen Steiermark tief verwurzelt sind. Viele unserer Kollegen sind bei der Freiwilligen Feuerwehr oder im Musikverein tätig. Sie sind daher mit dem Leben in den jeweiligen Gemeinden vertraut. Was wiederum dazu führt, dass wir wissen, wann in einer Gemeinde zum Beispiel Kanalbauarbeiten anstehen oder Straßen saniert werden. Das Resultat ist, dass die Energie Steiermark versucht, ihre Projekte parallel zu den anderen Bauarbeiten umzusetzen. Im besten Falle geht der neue Kanal einher mit der Breitband-Verlegung. Denn weder der Bürgermeister noch die Bewohner freuen sich über permanente Baustellen.
Die geopolitischen Spannungen sind hinreichend bekannt. Diese wirken sich auch auf den Energiesektor aus. Mit 1. Oktober senkt die Energie Steiermark den Strompreis für 260.000 Kunden mit Fixpreis-Tarif um 25 Prozent. Ein Widerspruch?
WR • Nein, weil wir im Unternehmen eine strukturierte Einkaufsstrategie haben. Die Energiebeschaffung erfolgt mehr als zwei Jahre im Voraus und ist daher kalkulierbar. Wenn die Preise nachhaltig sinken, geben wir diese an den Kunden weiter.
MG • Im Zuge der Energiereform hat die Bundesregierung vor zwei Wochen auch mehr Fairness, günstigeren Strom und weniger Bürokratie angekündigt. Das Gesetzespaket umfasst auch einen Sozialtarif, der für armutsgefährdete Menschen eingeführt werden soll. Den braucht man der Energie Steiermark nicht vorzuschlagen, wir haben den bereits. Meiner Meinung nach ist das ein weiteres Bespiel für gelebte Kundenorientierung. Aus Erfahrung wissen wir, dass jeder vierte Verbraucher, der den Stromanbieter wechselte, ein Kunde der Energie Steiermark ist. Das macht uns zum Taktgeber im E-Business.
Die Energie Steiermark betreut 800.000 Kunden. Nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Deutschland und Frankreich. In der Slowakei ist sie der zweitgrößte Wärmeversorger. Welchen Stellenwert hat das Ausland für das Konzerngeschäft?
WR • In diesem Zusammenhang sehen wir uns als steirischen Leitbetrieb mit europäischer Perspektive. Wir sind in diesem Bereich seit über 20 Jahren aktiv. Die Beteiligung in Frankreich ist ein jüngeres Thema und ein Markt, in dem wir vor allem für den Vertrieb ein gutes Gespür entwickelt haben. Auch künftig werden wir uns international weiter betätigen und Fuß fassen. Konkret geht es dabei um Investitionen in Photovoltaik-Projekte in Griechenland und Italien.
MG • Das Ziel ist ein Gesamtportfolio mit einem ordentlichen und nachhaltigen Ergebnis. Dafür haben wir in der Steiermark zu wenig Energieerzeugung. Das kompensieren wir bewusst mit Auslandsbeteiligungen, um etwaige Risiken und Engpässe zu vermeiden.
„Als Energie Steiermark treten wir mit den Beteiligten frühzeitig und proaktiv in Kontakt. Information und Transparenz sind die Grundpfeiler für erfolg reiche Projekte.“
WERNER RESSI

Herr Graf, Sie sind seit nun fast zehn Jahren Vorstand eines der größten Energie- und Infrastrukturunternehmen Österreichs. Die Energieversorgung ist komplexer geworden, das geopolitische und wirtschaftliche Umfeld ebenso. Nachhaltigkeit und Umwelt sind permanente Begleiter. War es früher einfacher?
MG • Die Energiewirtschaft hat drei Ziele: Nachhaltigkeit, Leistbarkeit und Versorgungssicherheit. Alle drei müssen gemeinsam erreicht werden. Und jede Zeit hat bekanntlich ihre Herausforderungen. In den letzten Jahren wurde die erneuerbare Energie forciert, wurden die Preise in den Mittelpunkt gerückt und wegen des Blackouts in Spanien ist das Thema der Versorgungssicherheit wieder aktuell. Die Preis-Krise ist überwunden, nun muss der Fokus verstärkt auf den Ausbau der Netze gelegt werden. Denn das ist die Grundlage für die Energiewende und die muss rasch umgesetzt werden.
Herr Ressi, als Leiter der Bereiche Strategie und Organisation waren Sie über 20 Jahre in führenden Positionen der Energie Steiermark. Gemeinsam mit OMV und Energie Graz wurde von Ihnen das größte Geothermie-Projekt Österreichs mitentwickelt und verhandelt. Damit soll ab 2030 die Hälfte des Gesamt-Wärmbedarfs von Graz mit heißem Wasser aus der Tiefe gedeckt werden. Inwiefern ist das Projekt auf Schiene?
WR • Das Projekt wurde von allen zuständigen Gremien genehmigt. Jetzt geht es gemeinsam mit der OMV und den verantwortlichen steirischen Unternehmen in die Umsetzung. Energie Steiermark und Energie Graz stemmen mit der OMV dabei Investitionen von fast 500 Millionen Euro. Fakt ist, dass mit dem Vollausbau die Hälfte des Wärmebedarfs von Graz mit heißem Wasser aus der Tiefe gedeckt werden wird. Die Investition ist immens, aber sie sorgt für eine nachhaltige Wärmewende und stabile Tarife.
Fotos: Benjamin Gasser